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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verstorbenen Königs Ludwig des Elften tugendhaften Angedenkens –, die Dienerschaft, sagte ich, trug Jacques in die Halle, wo sie ihn der Länge nach über einen Tisch legten, überzeugt, daß der hübsche Fant zum letzten Male in seinem Leben gefenstert hatte.

     
    »Geht, lauft, ruft einen Arzt herbei!« befahl die Frau Regentin.
    In weniger als einem Vaterunser waren sie die Treppe hinuntergestiebt, dann schickte die Königstochter ihre Frauen fort nach Salben, Wundleinwand, Hoffmännischen Tropfen, kurz, nach tausend Dingen, nur um mit dem Toten allein zu bleiben. Sie betrachtete den schönen ohnmächtigen Mann, und indem sie seine stattliche Körperlichkeit und seine vom Tod keineswegs verstellten Züge heimlich bewunderte, rief sie aus:
    »Ah! Gott straft mich allzu hart. Für ein armes einziges Mal in meinem ganzen Leben, daß sich ein sündhafter und verdammlicher Wunsch in meiner Natur geregt und sie zum Aufruhr gebracht hat, zürnt mir noch immer meine heilige Patronin und stibitzt mir den schönsten Edelmann, den ich je gesehen, vor der Nase weg. Aber, Herrgott, Himmelsakrament, bei der Seele meines Vaters, ich werde sie alle aufhängen lassen, die an dem Unglück schuld sind.«

     
    »Hohe Frau«, rief Jacques, indem er von der Tischplatte heruntersprang und der Regentin zu Füßen fiel, »ich lebe, um Euch zu dienen, und bin so wenig beschädigt, daß ich Euch für die Nacht so viele Seligkeiten verspreche, als das Jahr Monate hat, in Nachahmung jenes berühmten heidnischen Barons, des Herrn Herkules. Seit zwanzig Tagen«, fuhr der Geselle fort, dem es schwante, daß er hier ein wenig lügen müsse, um seine Sache ins rechte Geleis zu bringen, »seit zwanzig Tagen«, sagte er, »bin ich Euch, ich weiß nicht wie oft, begegnet, worüber ich bis zur Tollheit verliebt wurde, ohne, aus Ehrfurcht vor Eurer Person, den Mut zu finden, Euch nahe zu kommen; Ihr könnt Euch aber denken, wie berauscht ich sein mußte von Eurer königlichen Schönheit, um zuletzt diese Posse zu erfinden, dank welcher ich hier zu Eurer Herrlichkeit Füßen liege.«

     
    Darauf küßte er diese mit äußerster Verliebtheit und sah zu der guten Dame auf mit einem Blick, daß sich ihr dabei das Herz im Leibe umdrehte.
    Eine verfluchte Sache das Alter, nicht einmal auf Königinnen nimmt es Rücksicht. Die genannte Regentin aber, wie jedermann weiß, stand zur Zeit in der Blüte ihrer Jugend, nämlich, wohlverstanden, jener zweiten Jugend der Frauen, die eine kritische und gefährliche Jahreszeit ist, wo selbst die frömmsten, die bis dahin die Tugend selber waren, toll werden nach der entbehrten Liebe und alle Rücksicht beiseite setzen, wenn sie sicher sind, daß es außer Gott niemand erfahrt; denn sie möchten gar nicht gern mit leeren Händen, mit leerem Herzen und, was weiß ich, mit was sonst noch für einem leeren Ding in den Himmel kommen, ohne eine gewisse Sache, ihr wißt schon welche, näher kennengelernt zu haben.

     
    Die genannte Frau Regentin, Dame von Beaujeu mit Namen, tat also gar nicht erstaunt bei dem Versprechen des jungen Manns, da königliche Personen ohnedies gewohnt sind, alle Portionen zwölffach zu bekommen, sondern bewahrte das großmäulige Wort treu in ihrem Herzen oder auch an einem andern Örtchen, wo es ihr schon ganz kribbelig davon wurde. Darauf nötigte sie den Tourainer, sich zu erheben, welcher bei all seinem Elend den Mut fand, der strengen Herrin zuzulächeln. Diese aber strahlte in der Majestät einer welkenden Rose, hatte Ohren wie von Juchtenleder und eine Haut glatt wie eine räudige Katze; dafür war sie aber königlich geschmückt und aufgetakelt, auch von wahrhaft königlichem Wuchs, von zierlichem Fuß und mächtigen Hüften, daß der Tourainer immerhin hoffen konnte, in dem verdammten Glücksfall auf einige Verdecktheiten und Verstecktheiten zu stoßen, die ihm die Einlösung seines Versprechens erleichtern könnten.

     
    »Wer seid Ihr?« fragte die Regentin, indem sie die Polizeimeistermiene des verstorbenen Königs aufsetzte.
    »Ich bin Euer allertreuester Untertan Jacques de Beaune, der Sohn Eures Säckelmeisters, der trotz seiner redlichen Dienste in Ungnade gefallen ist.«

     
    »Gut«, antwortete die hohe Frau; »aber nun kuscht Euch wieder auf Eure Tischplatte, ich höre kommen, und es wäre nicht gut, wenn die Leute meines Hauses denken könnten, daß ich in dieser Posse und Narretei Eure Mitwisserin bin.«
    An dem sanften Ton ihrer Stimme hörte der Fant, daß die gute

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