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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Wieder andre schwammen in Fluten von Honig oder tauchten unter in Töpfen von Schmalz, die Klügsten schafften das Korn haufenweise in ihre Löcher und benutzten den allgemeinen Saus und Braus, um auf die Seite zu bringen, was nur auf die Seite zu bringen war, kurz, es ging zu wie auf einem römischen Karneval.

     
    Das Knistern der Öfen, das Zischen des heißen Schmalzes, das Krachen der Kisten und Fässer, das Gesing der Drehspieße, das Rascheln in Körben und Näpfen, das Bumbum der Mörser, das Gluckgluck der Flaschen und Krüge, das Klingling der Gläser und Kelche und tausend andere unbestimmbare Geräusche machten zusammen eine unsagbare, lukullische Musik oder Symphonia gastronomica. Ein wahrhaft hochzeitliches Treiben war's, ein Hin und Her, ein Kommen und Gehen von Mundschenken und Mundbäckern, Kämmerern und Stallmeistern, Kellnern und Köchen, Küchenjungen und Troßbuben, von Musikanten, Tänzern, Jongleuren und andern Spielleuten ohne Zahl. Das war ein Tuschblasen, ein Tamburinengesurr, ein Beckengerassel, ein Paukenschlagen. Immer ausgelassener wurde die Lust, immer berauschter die Berauschtheit, immer toller die Tollheit dieser närrischen Nacht.

     
    Da plötzlich hörte man den schrecklichen Gargantua, der mit schweren, dröhnenden Schritten die Treppe heraufstieg und unter dessen Last die Balken sich bogen und die Sparren knarrten. Einige alte Ratteriche hörten zuerst das verdächtige Gedröhn, aber sie wußten nicht, was es zu bedeuten habe; denn sie kannten ja noch nicht den Tritt des fürchterlichen Großherrn. Sie ergriffen aber vorsichtigerweise die Flucht und taten wohl daran, denn schon in diesem Augenblick erschien Gargantua unter dem Tor des Speichers.
    Mit einem einzigen Blick übersah er die saubere Wirtschaft, sah seine Konserven am Boden zerstreut, seine Krüge und Flaschen geleert, seine Fässer angebohrt, den ganzen Boden bedeckt mit Brühen und Saucen, sah seine Käse ausgehöhlt, seine Schinken zerfressen und bepißt, bebissen und beschissen. Da erfaßte ihn eine Wut, daß er mit einem einzigen gewaltigen Fußtritt das lustige Geschmeiß über den Haufen warf und zertrat mitsamt ihren schönen Pelzen und Perlen, samtenen und seidenen Gewändern. Also machte er dem Schmaus einen entsetzlichen Garaus.«
    *
    »Und was geschah mit dem Spitzmäuserich?« fragte der König, nachdem er eine Zeitlang träumerisch vor sich hin geblickt.
    »Majestät«, antwortete Meister François, »in dem Punkt war Gargantua ungerecht. Der Spitzmäuserich wurde zum Tode verurteilt, und zwar wegen seines hohen Adels zum Tode mit dem Schwert, und er war doch nur übertölpelt worden.«
    »Du gehst ein wenig weit, Gevatter«, brummte der König.

     
    »Nein, Majestät«, erwiderte Rabelais, »ich ziele nur ein wenig hoch. Habt Ihr nicht selber die Kanzel über die Krone gestellt? Ihr habt mich aufgefordert, eine Predigt zu halten, und ich habe sie gehalten im Geist und nach der Vorschrift des Evangeliums.«
    »Was meint Ihr, mein lieber Hofprediger«, flüsterte ihm die Dame Diana ins Ohr, »wenn ich nun bösartig wäre?«

     
    »Schöne Frau«, entgegnete ihr Meister François, »findet Ihr nicht auch, daß es höchste Zeit war, den König, Euern Herrn, vor diesen Italienern zu warnen, die wie Mückenschwärme hinter der Königin her sind, Seine Majestät belästigen und unser schönes Land verfinstern?«

     
    »Herr Pfarrer, Herr Pfarrer«, sagte ihm der Kardinal Odet ins Ohr, »brennt Euch nicht der Boden von Frankreich unter den Füßen? Seid klug, sucht Euch jenseits der Grenze ein Örtlein.«
    »Ich werde bald abreisen, hoher Herr«, antwortete Meister François, »aber in ein besseres Jenseits.«

     
    »Beim Fleisch Gottes, Herr Schriftenmacher«, sagte der Feldzeugmeister – dessen Sohn, wie jedermann weiß, das Fräulein von Piennes, seine Verlobte, treulos verlassen hatte, um Diana von Frankreich zu heiraten, eine Tochter des Königs und einer Dame von jenseits der Alpen –, »beim Fleisch Gottes, du bist kühn, mein lieber Tintenkleckser. Mit Personen so hohen Ranges hat noch keiner ungestraft angebunden. Du greifst hoch hinauf, Poetlein, und bei meinem Ritterwort, du sollst eine Leiter hinaufsteigen ...«
    »Ja, die Himmelsleiter, Herr Konnetable. Wir werden sie alle einmal hinaufsteigen. Wenn Ihr aber ein Freund des Staats und des Königs seid, so müßt Ihr mir danken, daß ich den König vor diesen Lothringern gewarnt habe, diesen hungrigen Ratten, die uns hier arm

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