Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
graubärtigen Rattenhäuptlinge sich einer wie der andere bis über die Ohren in das hübsche Ding verliebten und, als sie vorüberzog, Maul und Augen aufsperrten und sich Hals und Augen verrenkten gleich den Wackelgreisen von Troja, wenn die schöne Helena aus ihrem Badehaus kam.
    Und also wurde das zarte weiße Fräulein nach den Speichern abgesandt, ob sie vielleicht den Spitzmäuserich lüstern machen und Gnade finden möchte vor seinen Augen, zum Heil des ganzen nagenden, leider jetzt am Hungertuch nagenden Volks, gleich jenem hebräischen Weibe mit Namen Esther, auf die der Sultan Ahasver ein Auge geworfen hatte und die sein Herz wendete und günstig stimmte ihrem unterdrückten Volke, wie es geschrieben steht im Buch der Bücher, nämlich der Bibel, welches Wort von dem griechischen Worte Biblos kommt, id est das Buch an sich.
    Die schöne Maus versprach zu tun, was in ihren Kräften stände, und sie durfte sich schon etwas zutrauen, denn wahrlich, sie war die Königin der Mäuse, eine Maus so zartfellig und so zartfühlig, so mockelig, so hell-lichtblond, kurz, das lieblichste Fräulein, das nur je an Balken hingeklettert, an Wänden hinaufgekrabbelt ist und kindische Juchzer und Freudenschreie ausgestoßen hat, wenn es auf seinem Weg eine Apfelschale gefunden, ein Stückchen von einem Nußkern oder ein Brotkrümelchen. Eine wahre Nymphe war's, eine wahre Fee von einer weißen Maus, mit einem Köpfchen voller Tollheiten und Lustigkeiten, einem so kleinen, zierlichen Köpfchen, mit einem Blick so hell wie ein Diamant, mit einem Haar, feiner wie Sonnenstrahl und weicher wie Seide, mit einem so weißen, kitzligen, molligen Körperchen, mit einem Schwanz wie Samt, mit Pfötchen wie Rosenblätter; ein wohlgebornes Mäuslein war's, mit einem flinken Zünglein und wohlgewandter Rede, ein Mäuslein, das sich nicht gern plagte, sondern seiner Natur nach lieber herumlag auf weichen Unterlagen, ein listiges, schlaues, durchtriebenes Mäuslein, schlauer als ein alter Doktor der Sorbonne, der die Dekretalien auswendig weiß; ein Mäuslein war's mit weißem Bauch und gestreifeltem Rücken, mit allerliebsten kleinen Zitzen, mit Grübchen in den Wangen, mit einer Reihe Zähnchen, die schimmerten wie Perlen, mit einem Wort: ein Fressen für einen König.«
    Die Schilderung war so kühn, und so auf ein Haar war die geschilderte Maus ein Ebenbild der gegenwärtigen Frau Diana, daß alle Höflinge zitterten für den verwegenen Erzähler. Die Königin Catherine lächelte boshaft, aber dem König war's nicht ums Lachen. Meister François jedoch fuhr fort, ohne auf das verstohlene Zublinzeln der Kardinäle Dubellay und von Castillon zu achten, die das Schlimmste für den Gevatter befürchteten.
    »Diese hübsche Maus«, fuhr er fort, »verlor ihre Zeit nicht, und schon am ersten Abend verdrehte sie dem guten Spitzmäuserich ganz und gar den Sinn und nahm ihn für immer gefangen mit ihrem Liebäugeln und verschmitzten Schöntun, mit Lüsternmachen und zimperlichem Verweigern, mit all den Kniffen eines entzückenden Luderchens, das möchte und nicht wagt, mit tausend halben Liebkosungen und Hinhaltungen, mit all den vertrackten Vorbereitungen und Einleitungen einer Maus, die weiß, was sie wert ist, die ihren Preis kennt; mit all den kitzligen Aufreizungen, versprechenden Blicken, versagenden Zurückweisungen, mit Böswerden zum Scherz und Scherzen zum Böswerden, kurz, all den verfänglichen und fänglichen Teufeleien, wie sie die Weibsen aller Länder mit so großer Meisterschaft handhaben: bis endlich, nach unendlichem Kurbettieren und Pfötchenlecken und was die sonstigen spitzmäuserigen verliebten Galanterien mehr sind, nach so viel zornigem Stirnrunzeln, unendlichen Seufzern, Serenaden und nächtlichen Liebesmählern auf dem Kornhaufen und Mahlzeiten zu allen Tageszeiten – bis endlich es so weit kam, daß der Statthalter aller Kornkammern über die Gewissensskrupel und religiösen Bedenken des leckeren Frauenzimmerchens den Sieg davontrug.
    Und alsbald fanden beide soviel Geschmack an der blutschänderischen und verbrecherischen Liebe, daß die verdammte kleine Maus den Spitzmäuserich am Bändel hielt wie nur eine und die wahre Königin wurde in seinen Reichen, die von allem naschte, wo es nur zu naschen gab, Süßem und Herbem, kurz, über alles verfügte, ohne daß der Spitzmäuserich im geringsten zu mucksen sich erlauben durfte. Er war dieser Königin seines Herzens zu Willen in allem und jedem und vergaß trotz

Weitere Kostenlose Bücher