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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ansprache, worin er dem Spitzmäuserich bewies mit Gründen aus der Schrift und den Vätern: daß über ihm niemand stehe als Gott allein, daß er niemand Rechenschaft und Gehorsam schuldig sei außer Gott und daß er allein Gott zu fürchten brauche, aber sonst niemand auf der Welt.

     
    Diese Ansprache, geschmückt mit unendlichen Periphrasen und Zitaten aus den Evangelien und alles so kunterbunt ineinandergequirlt mit alten Fetzen gesunden Menschenverstandes, daß es den Zuhörern grün und gelb vor den Augen wurde, endete mit einer Lobrede auf das erlauchte Geschlecht der Spitzmäuseriche im allgemeinen und des hochselbst hier anwesenden Herrn Statthalters im besondern, von dem gesagt wurde, daß er seine Vettern an Göttlichkeit übertreffe wie die Sonne die Sterne. Dem gargantuanischen Speicherverwalter wurde ganz schwindlig bei soviel Lob.
    So sehr hatte ihm die Rede den Kopf verdreht und mit dem Kopf den Sinn, daß er der ganzen wohlrednerischen schwarzen Schar Wohnung anweisen ließ in seinem Palast, als welche sich hingegen verpflichtete, ihn Tag und Nacht mit Schmeichelworten zu füttern, auch seine Dame zu preisen und anzusingen und ihr den Hintern zu küssen, sooft sie es haben wollte.
    Diese aber, die wohl wußte, wie hungrig ihr Volk war, wollte ihrem Werk die Krone aufsetzen. Sie gebrauchte also ihre Zunge, öffnete die Schleusen ihrer verliebten Beredsamkeit und beklagte sich zugleich bitter in verliebten Vorwürfen bei ihrem Spitzmäuserich, daß er die schönste Zeit auswärts zubringe, immer auf Reisen und Inspektionen sei, immer unterwegs, so daß sie auch gar nichts mehr von ihm habe. Wie oft rufe sie nach ihm in schmerzlicher Sehnsucht, und immer sei er weit weg, auf den Hohlziegeln oder in der Dachrinne, immer auf der Jagd nach Missetätern, während sie ihn allezeit bei sich haben möchte, bereit wie eine Lanze und lustig wie ein Vogel.

     
    Also beklagte sie sich, riß sich ein graues Haar aus, nannte sich die unglücklichste Maus der Welt und weinte bitterlich. Der Spitzmäuserich bewies ihr, daß sie Herrin sei über ihn, über alles und daß sie sich mit Unrecht beklage. Aber ein Strom von Tränen erweichte ihn, er entschuldigte sich und erklärte sich bereit, alles zu gewähren.
    Da versiegten plötzlich ihre Tränen, und indem sie ihm die Pfote zu küssen gab, riet sie ihm, er möge doch diese Schwarzen da als Soldaten bewaffnen, es seien sichere, erprobte Leute, ehemalige Kondottieri, die mit Vergnügen für ihn die Runde machten und besser Polizei und Ordnung hielten als er selber. Und der Spitzmäuserich erließ unverzüglich die gewünschten Verfügungen. Er hatte nun das herrlichste Leben von der Welt. Er brauchte nichts mehr zu tun, als zu tanzen, zu spielen, die Madrigale und Balladen seiner Hofpoeten anzuhören, auf der Laute und auf der Mandoline zu spielen, witzige Rätsel aufzugeben und, wenn er Hunger und Durst oder auch wenn er weder Durst noch Hunger hatte, zu essen und zu trinken und zu trinken und zu essen.
    Eines Tags, als seine Liebste vom Wochenbett aufstand, wo sie ihm ein allerliebstes mausiges Spitzmäuschen oder spitzmausiges Mäuschen geschenkt, ich weiß nicht welchen Namens, das, ihr könnt euch denken, die Pelzmützen des Parlaments so rasch als möglich legitimierten, da ...«
    Hier bekam der Konnetable von Montmorency, der seinen Sohn mit einer Bastardtochter des genannten gegenwärtigen Königs verheiratet hatte, einen roten Kopf, fuhr mit seiner Faust an den Schwertknauf und rollte mit seinen Augen, um dem Teufel angst zu machen.
    »... da wurden« – fuhr Meister François fort – »auf den Speichern solche Feste gefeiert, daß kein Galafest des Hofs sich damit vergleichen kann, das Ordensfest vom Goldenen Vlies nicht ausgenommen. Nie hatten die Mäuse ein solches Hochzeiten gesehen. Das war ein Tanzen der Ratten und der Ratzen – Walzer, Galopp und Mazurka – ein Schmausen und Bankettieren, ein Hochausbringen und Hurrarufen, kurz, ein Lärmen und Tollen, als ob sie den Speicher zu den Dachluken hinauswerfen wollten. Die Ratten hatten alle Konservenbüchsen erbrochen, alle Töpfe zerschlagen, alle Fässer angebohrt. Da flössen Ströme von Senf und Latwergen, da lagen ganze Haufen angenagter Schinken umher. Alles ging zum Teufel. Die jungen Ratten wälzten sich nur so in der Kapernsauce, die Mäuschen spielten Huschhusch und Blindekuh in den ausgehöhlten Pasteten. Andere taten mit geräucherten Ochsenzungen wie Kinder mit ihren Steckenpferden.

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