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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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fressen.«
    »Mein Gevatter«, sagte ihm der Kardinal Karl von Lothringen ins Ohr, »wenn du einige Goldgulden brauchst, um das fünfte Buch deines Pantagruel ans Licht zu bringen, stehen sie dir gern zur Verfügung, zum Dank dafür, daß du es dieser Hure des Königs und ihrem Anhang einmal ordentlich gesagt hast.«
    »Nun, meine Herren«, sprach der König laut, »was ist eure Meinung über die Predigt?«
    »Majestät«, antwortete Melin de Saint-Gelais, als er merkte, daß alles wohl zufrieden war, »ich habe in meinem Leben keine bessere pantagruelistische Parabel gehört; sie war aber auch nicht anders zu erwarten von einem, der in seiner Abtei Thelesma dieses wahrhaft Leoninische Carmen über das Tor geschrieben hat:
Hier dieser Ort sei euch ein Hort,
Zuflucht und stürmesichrer Port,
Die ihr bekämpft mit kühnem Wort,
Der Pfaffheit Meuchelei zum Trutz,
Lug, Schlaffheit, Heuchelei und Schmutz.«
     
    Und also lobten und rühmten alle Höflinge einstimmig den Meister François, der sich empfahl und auf den Heimweg machte, ehrenvoll begleitet von zwei Pagen, die ihm auf ausdrücklichen Befehl des Königs die Fackeln vorantrugen.

     
    Einige Scheißkerle haben diesem Meister François, der höchsten Zierde unsres Lands, den Vorwurf gemacht, daß er mit pöbelhaften Hanswurstiaden und boshaften Affereien die ganze Welt zum Narren gehalten, und haben gemeint, diesen philosophischen Homerus, diesen Fürsten der Wissenschaft, dieses göttliche Urzentrum, auf das so viele große und unsterbliche Werke zurückgehen, zu beschmutzen und herabzusetzen in den Augen der Menschen. Aber Tod und Teufel über ein Gesindel, das geglaubt hat, diesem leuchtenden Genius auf den Kopf scheißen zu dürfen! Mögen sie doch nichts als leeres Stroh und Häcksel zu fressen kriegen und taube Spreu, die die kräftige und gesunde Nahrung dieses Tourainers nicht zu würdigen wissen.

     
    Du Trinker klaren Wassers, du Bewahrer des höchsten Ideals klösterlicher Enthaltsamkeit, du Gelehrter aller Gelehrten, in was für ein unbändiges und nie endendes Lachen müßtest du ausbrechen, wenn du heut unter uns erscheinen und das Gesudel lesen könntest, dieses Gestank und Gezänk, dieses Getratsch und Geschimpf, das täglich über dich losgelassen wird, in b-Moll und in b-Quadrat, von Leuten, die dich herausgeben, die dich kommentieren und interpretieren, die dich zerreißen, schelten, brandmarken, die nach Schmutz und Unrat in dir schnüffeln, dich den Hunden hinwerfen und dich so grandios mißverstehen in jedem Wort. Gleich den panurgischen Hunden, die geifernden Mauls und mit lang heraushängender Zunge hinter der Dame in der Kirche her waren, so ist hinter dir die zweibeinige akademische Meute, Kerle mit schlaffem Gehirn und schlaffem Diaphragma her, und wissen nichts Gescheiteres zu tun, als die leuchtende Marmorpyramide zu besudeln, auf der deine großartigen gargantualischen Phantasien und Lehren der Weisheit für die Ewigkeit eingegraben sind.

     
    Wenn nun aber auch nur wenige imstande sind, dem kühnen Flug deines Schiffs auf dem Ozean der Ideen zu folgen und deine Methoden, Philosophien, Religionen, Wissenschaften und die Wahrheit der ganzen menschlichen Komödie und Narretei in deinem Werk vollkommen zu erfassen und zu würdigen, so hast du doch einige aufrichtige Verehrer. Ihre Bewunderung ist wenigstens ohne heuchlerische Beimischung, und klar erkennen sie und tapfer bekennen sie deine wissenschaftliche, moralische, philosophische und sprachliche Omnipotenz und Allgewalt. Und also hat ein armer Sohn des lustigen Tourainer Lands es unternommen, dich zu rechtfertigen und, wenn auch mit unzulänglichen Mitteln, dein Bild zu reinigen und laut zu rühmen deine ewigen und unsterblichen Werke, deine konzentrierten Werke, wo eng zusammengepreßt wie Sardinen in einer Büchse alle philosophischen Ideen enthalten sind, alle Wissenschaften, alle Künste, alle Beredsamkeiten mitsamt dem ganzen tollen Komödienspiel und Mummenschanz des Lebens.

     

Prolog zum Sukkubus

     
    Einige Herren und Damen aus unserm edlen Tourainer Land waren so begeistert von dem Autor und seinem patriotischen Werk, in dem soviel Altertümer, Aventiuren, gelungene Streiche und Schwanke aus jenen Gegenden von neuem aufleben, daß sie nicht anders meinten, als der genannte Autor müsse alles wissen, was nur irgendwie mit jenem gesegneten Land zusammenhängt, und eines Tags, nach reichlichem Trinken versteht sich, wandten sie sich an ihn mit der Frage, ob er nicht den

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