Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Unter dem Sporn dieser Reden, die mir die Seele aus dem Leibe saugten, tauchte ich immer tiefer unter in den Abgrund der Hölle, in einen grundlosen, bodenlosen Abgrund, bis ich keinen Tropfen Blut mehr in den Adern fühlte, meine Seele weggelöscht war aus meinem Körper und nichts von mir übrigblieb als ein schwacher Leichnam. Sie aber war immer frisch und blühend, leuchtend von Jugend und Lust.
»Armer Narr«, sprach sie lachend, »mich für einen Dämon zu halten. Aber sage doch, wenn ich dich aufforderte, mir deine Seele zu verkaufen für einen Kuß, würdest du sie mir nicht mit Freuden geben?«
»Mit tausend Freuden«, antwortete ich.
»Und wenn das Blut Neugeborner dir die Kraft geben könnte, immer am Werk zu sein über meinem weißen Leib und dich auszuströmen in meinen Schoß, würdest du nicht von Herzen die Unschuldigen töten und ihr Blut trinken?«
»Von ganzem Herzen«, antwortete ich.
»Und um den Preis, immer mein Ritter zu sein und als ein Mann in der Blüte des Lebens mit vollen Zügen aus dem Becher der Lust zu trinken und immer von neuem unterzutauchen in mir, wie ein Schwimmer untertaucht im Fluß, würdest du um diesen Preis nicht Gott verleugnen und deinem Jesus ins Angesicht speien?«
»Ich würde es«, antwortete ich.
»Wenn dir noch zwanzig Jahre eines klösterlichen Lebens gegeben wären, würdest du sie nicht hingeben für zwei Jahre dieser Liebe, deren Feuer dich zugleich verzehrt und erhält?«
»Ja!« antwortete ich.
Da hatte ich ein Gefühl, wie wenn tausend Krallen sich in meine Lenden schlügen und tausend Raubvogelschnäbel sich in meine Brust hackten. Und reitend auf dem genannten Sukkubus, der seine Flügel ausbreitete, fühlte ich mich hingetragen durch die Lüfte, hoch über der Erde.
»Reite, reite, mein Reiter«, rief sie mir zu, »halte dich fest auf dem Bug deiner Stute, greif in ihre Mähne, umklammere ihren Hals, reite, mein Reiter, reite! Alles reitet.«
Wie einen Nebel sah ich die Städte der Erde unter mir, und durch eine besondere Gabe des Hellsehens sah ich Millionen Menschen zusammengekuppelt mit weiblichen Dämonen in wilder, wüster Hurerei; ihre Schreie der Lust, ihr Liebesgestöhn erschütterten die Luft. Und immerfort dahinfahrend, an Bergen und Wolken vorüber, lächelte mein Monstrum mit dem lieblichen Angesicht eines Weibs und zeigte mir, wie der Erdball mit der Sonne sich kuppelte und eine Milchstraße von Sternen sie umstiebte in ihrer Vereinigung. Und diese Millionen Sterne und Weltkörper kuppelten sich wieder, jeder männliche mit seinem weiblichen, und ihr Liebesgestöhn waren brausende Stürme von einem Weltufer zum andern, und Blitz und Donner waren ihre Schreie der Lust. Und mein Sukkubus setzte mich in das Zentrum des taumelnden Wirbels, wo ich mir vorkam wie ein verlorenes Sandkorn in der Unendlichkeit des brausenden Ozeans, und immer wiederholte mein weißes Pferd seinen Refrain:
»Reite, mein Reiter, reite!«
Da fühlte ich, wie wenig ein armes Priesterlein ist in diesem Strom der Welten, in diesem Samenstrom der Schöpfung, ich sah das All in einem ewigen Taumel von Liebe und Begattung, die Steine und die Metalle, Wasser und Luft, Blitz und Donner, die Sonnen und die Planeten, die Tiere, die Menschen und die Geister aller Welten, und mit einem wilden Schwur verleugnete ich meinen Glauben. Und immer weiter ging der Ritt, und mein Sukkubus zeigte mir Millionen Milchstraßen und sagte mir, jede Milchstraße sei ein Samentropfen aus dem großen Strom der zeugenden Weltkräfte. Und immer weiter ging der Ritt bei dem Schein von Millionen und Millionen Sternen, und reitend, immer weiter reitend hätte ich schauen und erkennen mögen die Natur dieser Millionen und Millionen Welten. Aber wie vernichtet in jeder Faser meines Wesens von dieser übermenschlichen Anstrengung, tat ich einen furchtbaren Fall und hörte das entsetzliche Hohnlachen der Hölle.
In meinem Bett fand ich mich wieder. Um mich her waren meine Diener, die unterdessen tapfer mit dem Dämon gekämpft hatten. Unter eifrigem Beten hatten sie einen ganzen Kübel Weihwasser über das Bett gegossen, in dem ich lag. Aber trotz ihres Beistands mußte ich noch einen furchtbaren Kampf aushalten mit dem genannten Sukkubus, dessen Klauen sich noch immer in mein Herz krallten, daß ich unsagbare Schmerzen litt.
Ermuntert von meinen Dienern, meinen Verwandten und meinen Freunden, strengte ich mich an, das Zeichen des heiligen Kreuzes zu machen; aber da sah ich den Sukkubus auf
Weitere Kostenlose Bücher