Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
Knospen waren voll, und sie war nur um weniges hinter den anderen zurück.
Der Abt kehrte in seinen Körper im Turm zurück, öffnete die Lider und atmete tief. Er rieb sich die Augen, ging zum Südfenster und sah hinab auf die zweite Ebene und den Gemüsegarten.
Dort kniete ein Priester in einem schmutzigen braunen Kittel auf der Erde. Der Abt verließ sein Zimmer, stieg die Wendeltreppe hinab und stieß die Tür zur unteren Ebene auf. Er schritt über den frisch gescheuerten, gepflasterten Pfad und die steinernen Stufen, die zum Garten hinunterführten.
»Ich grüße dich, Bruder«, sagte er.
Der Priester sah auf; dann verbeugte er sich. »Ich grüße dich, Vater Abt.«
Der Abt setzte sich auf eine steinerne Bank in der Nähe.
»Bitte, mach weiter«, bat er, »laß dich durch mich nicht stören.«
Der Mann nahm seine Arbeit wieder auf und jätete das Beet. Seine Hände waren schwarz vor Schmutz und seine Fingernägel zersplittert und abgebrochen.
Der Abt schaute sich um. Der Garten war gepflegt, die Werkzeuge scharf und gut instand, die Pfade sauber und frei von Unkraut.
Er blickte den Priester voller Zuneigung an. Der Mann hatte sich sehr verändert seit jenem Tag vor fünf Jahren, als er ins Kloster marschiert war und erklärt hatte, er wolle Priester werden. Damals hatte er eine prächtige Rüstung getragen; zwei Kurzschwerter hingen an seiner Hüfte und ein Wehrgehänge um die Brust, in dem drei Dolche steckten.
»Warum möchtest du der Quelle dienen?« hatte der Abt gefragt.
»Ich bin des Todes müde«, hatte er geantwortet.
»Du lebst, um zu töten«, sagte der Abt und blickte dem Krieger fest in die gehetzten Augen.
»Ich möchte mich ändern.«
»Du willst dich verstecken?«
»Nein.«
»Warum hast du dieses Kloster gewählt?«
»Ich … ich habe gebetet.«
»Hast du eine Antwort bekommen?«
»Nein. Aber ich war unterwegs nach Westen, und nachdem ich gebetet hatte, habe ich es mir anders überlegt und bin nach Norden gezogen. Und ihr wart hier.«
»Glaubst du, daß das eine Antwort war?«
»Ich weiß nicht«, antwortete der Krieger. »War es eine?«
»Weißt du, welcher Orden das hier ist?«
»Nein.«
»Die Akolyten sind sehr begabt, weit über das Maß normaler Menschen hinaus, und sie haben Kräfte, die du nicht begreifen kannst. Ihr ganzes Leben haben sie in die Hände der Quelle gelegt. Was hast du zu bieten?«
»Nur mich selbst. Mein Leben.«
»Gut. Ich werde dich aufnehmen. Aber hör genau zu und merke dir, was ich sage: Du wirst nicht mit den anderen Akolyten zusammenkommen. Du wirst die obere Ebene nicht betreten. Du wirst hier unten in einer kleinen Kate wohnen. Du wirst deine Waffen ablegen und sie nie mehr anrühren. Du wirst niedere Arbeiten verrichten und völligen Gehorsam leisten. Nie wirst du jemanden ansprechen, und nur wenn ich dich anrede, darfst du antworten.«
»Einverstanden«, sagte der Krieger, ohne zu zögern.
»Ich werde dich jeden Nachmittag unterweisen, und ich werde deine Fortschritte beurteilen. Falls du versagst, werde ich dich des Klosters verweisen.«
»Einverstanden.«
Fünf Jahre lang hatte der Krieger gehorcht, ohne Fragen zu stellen, und im Laufe der Zeit konnte der Abt erkennen, wie der gehetzte Ausdruck aus den dunklen Augen des Mannes verschwand. Er hatte viel gelernt, wenn er es auch nie schaffte, die Fesseln des Geistes abzustreifen. Doch in allen anderen Dingen war der Abt zufrieden.
»Bist du glücklich, Decado?« fragte der Abt nun.
»Ja, Vater Abt.«
»Kein Bedauern?«
»Nein.«
»Ich habe Neuigkeiten über den Drachen«, sagte der Abt und beobachtete ihn sorgfältig. »Möchtest du sie gern hören?«
Der Priester blickte ihn nachdenklich an. »Ja. Oder ist das nicht recht?«
»Doch, Decado, das ist recht. Sie waren deine Freunde.«
Der Priester wartete schweigend, daß der Abt fortfuhr.
»Sie wurden von Ceskas Bastarden in einer furchtbaren Schlacht vernichtet. Obwohl sie tapfer und gut gekämpft haben, konnten sie gegen die Macht der Untiere nicht bestehen.«
Decado nickte und nahm seine Arbeit wieder auf.
»Wie fühlst du dich?«
»Sehr traurig, Vater Abt.«
»Nicht alle deine Freunde sind umgekommen. Tenaka Khan und Ananais sind zu den Drenai zurückgekehrt, und sie planen, Ceska zu töten – seine Schreckensherrschaft zu beenden.«
»Möge die Quelle mit ihnen sein«, sagte Decado.
»Wärst du gerne bei ihnen?«
»Nein, Vater Abt.«
Der Abt nickte. »Zeig mir deinen Garten«, bat er. Der Priester erhob sich,
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