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Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz

Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz

Titel: Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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keinen billigen Sieg erringen. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir nicht zwei Drittel unserer Truppen verlieren.«
    »So viele?« flüsterte sie.
    »Mindestens. Es gibt zu viel offenes Gelände.«
    »Können wir sie nicht einfach von oben mit Pfeilen spicken, wenn sie das Tal betreten?« fragte Lucas.
    »Sicher. Aber dann würden sie die Hälfte ihrer Leute hier lassen, um uns festzunageln, und anschließend die Stadt und die Dörfer angreifen. Es gäbe ein schreckliches Blutvergießen.«
    »Was schlägst du vor?« fragte Rayvan.
    Er sagte es ihr, und sie wurde blaß. Lucas schwieg. Tenaka faltete die Notizen und Skizzen und band sie mit einem Lederriemen zusammen. Das Schweigen wurde drückend.
    »Trotz deines niederen Blutes«, sagte Rayvan schließlich, »vertraue ich dir, Tenaka. Bei jedem anderen hätte ich gesagt, es ist Wahnsinn. Selbst bei dir …«
    »Es gibt keine andere Möglichkeit zu siegen. Aber ich gebe zu, der Plan birgt viele Gefahren. Ich habe die Stellen markiert, wo die Arbeit getan werden muß, und ich habe eine Karte mit Entfernungsangaben gezeichnet, die sich die Bogenschützen einprägen müssen. Aber es hängt von dir ab, Rayvan. Du bist hier der Anführer.«
    »Was meinst du, Lucas?« fragte sie ihren Sohn. Er wehrte mit den Händen ab. »Frag mich nicht! Ich bin kein Soldat.«
    »Glaubst du, ich

fuhr Rayvan auf. »Sag mir deine Meinung.«
    »Es gefällt mir nicht. Aber ich habe keine andere Lösung anzubieten. Wie Tenaka sagt, wenn wir zuschlagen und uns zurückziehen, öffnen wir ihnen Skoda. Und auf diese Weise können wir nicht siegen. Aber zwei Drittel Verluste …«
    Rayvan erhob sich und stöhnte, als ihr rheumatisches Knie einzuknicken drohte. Sie ging über den Hang davon und ließ sich an einem kleinen Flüßchen nieder, das eilig über Kiesel rauschte, die wie Perlen unter der Oberfläche schimmerten. Tief in der Tasche ihres Kettenhemds fand sie einen Zwieback. Er war an den Eisenringen in drei Teile zerbrochen.
    Sie kam sich wie eine Närrin vor.
    Was tat sie hier? Was wußte sie schon vom Krieg?
    Sie hatte gute Söhne großgezogen, und ihr Mann war ein wunderbarer Mensch gewesen, groß und freundlich und sanft wie Gänsedaunen. Als die Soldaten ihn niederschlugen, hatte sie unverzüglich reagiert. Doch seitdem lebte sie eine Lüge – in ihrer neuen Rolle als Rebellenführerin zu schwelgen, Entscheidungen zu treffen und eine Armee zu befehligen. Doch es war alles nur Schein – wie auch ihre Behauptung, von Druss abzustammen. Sie senkte den Kopf und biß sich auf die Finger, um nicht zu weinen.
    Was bist du, Rayvan? fragte sie sich.
    Eine dicke Frau mittleren Alters im Kettenhemd eines Mannes.
    Morgen, spätestens übermorgen würden vierhundert junge Männer für sie sterben … ihr Blut würde an ihren Händen kleben. Unter den Toten würden auch ihre Söhne sein – jene, die noch am Leben waren. Sie tauchte die Hände ins Wasser und wusch sich das Gesicht.
    »Oh, Druss, was soll ich nur tun? Was würdest du tun?«
    Sie bekam keine Antwort. Sie hatte auch keine erwartet. Die Toten waren tot – keine goldenen Schatten in geisterhaften Palästen, die liebevoll auf ihre Nachkommen herabschauten. Es gab niemanden, der ihre Hilfeschreie hörte, keine lebende Seele. Wenn nicht der Fluß und die perlengleichen Steine sie hören konnten oder das weiche Frühlingsgras oder die rote Heide. Sie war allein.
    In gewisser Weise war das schon immer so gewesen. Ihr Mann, Laska, war ein großer Trost gewesen, und sie hatte ihn geliebt. Doch nie mit der alles verzehrenden Leidenschaft, von der sie immer träumte. Er war wie ein Fels gewesen, ein solider, beständiger Berg von einem Mann, an den sie sich klammern konnte, wenn niemand sie sah. Er besaß eine innere Stärke, und es störte ihn nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit über ihn herrschte und scheinbar alle familiären Entscheidungen traf. In Wirklichkeit hörte sie in der Stille ihres Zimmers auf seinen Rat und handelte oft genug danach.
    Jetzt war Laska nicht mehr, und mit ihm auch ihr anderer Sohn Geddis, und sie saß hier allein in einem lächerlichen Kettenhemd. Sie blickte zu den Bergen am Eingang zum Teufelsgrinsen und stellte sich die Legion in ihren schwarzen Mänteln vor, wie sie ins Tal ritten, und dachte wieder an den Hieb, der Laska gefällt hatte. Er hatte keinen Angriff erwartet und saß am Brunnen und unterhielt sich mit Geddis. Es mußten etwa zweihundert Skoda-Männer in der Gegend gewesen sein, die

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