Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
Hof hinaus und kniete neben dem tödlich verwundeten Ciall nieder.
»Gute Arbeit, Dun Ciall«, sagte er und hob den Kopf des alten Mannes an.
Ciall lächelte. »Sie haben es getan«, sagte er. »Der Stein.«
»Aber du wirst hier sein. Mit dem Gan und den anderen.«
»Ja. Der Gan hat eine Botschaft für dich, aber ich verstehe sie nicht.«
»Wie lautet sie?«
»Er sagt, du sollst den König jenseits des Tores suchen. Verstehst du das?«
»Ja.«
»Ich hatte einst eine Frau …«, wisperte Ciall. Und starb.
Tenaka schloß dem alten Mann die Augen; dann hob er den zerbrechlichen Körper und trug ihn in den Schatten des Torturms, wo er ihn zu Füßen von Egels Stein bettete. Den zerbrochenen Speer drückte er dem Toten in die Hand.
»Letzte Nacht«, sagte er, »habe ich zur Quelle gebetet. Ich weiß nicht genug, um an irgendeinen Gott zu glauben, aber wenn es dich gibt, dann bitte ich, daß du seine Seele zu dir nimmst. Er war kein schlechter Mensch.«
Renya wartete im Hof, als Tenaka zurückkam.
»Armer Mann«, sagte er. Er nahm sie in die Arme und küßte sie auf die Stirn.
»Zeit zu gehen«, sagte er.
»Du hast gehört, war er sagte – überall sind Reiter.«
»Zuerst einmal müssen sie uns sehen. Zweitens müssen sie uns fangen. Wir sind nur eine Stunde von den Bergen entfernt, und wohin ich gehe, werden sie uns nicht folgen.«
Sie ritten den ganzen Vormittag hindurch, immer am Waldrand entlang, wachsam, wenn sie durch offenes Gelände mußten. Sie versuchten, möglichst unauffällig zu bleiben. Zweimal sahen sie Reiter in der Ferne. Gegen Mittag hatten sie den Fuß der Delnoch-Berge erreicht, und Tenaka führte sie ins Hochland hinauf. Bei Einbruch der Dämmerung waren die Pferde erschöpft, und sie stiegen ab, um einen Lagerplatz zu suchen.
»Bist du sicher, daß wir hier hinüberkommen?« fragte Renya und wickelte sich fester in ihren Mantel.
»Ja. Aber vielleicht müssen wir die Pferde zurücklassen.«
»Es ist kalt.«
»Es wird noch kälter. Wir müssen noch fast tausend Meter höher steigen.«
In der Nacht kauerten sie sich unter ihren Decken eng zusammen. Tenaka schlief unruhig. Die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, war gewaltig. Warum sollten die Nadir ihm folgen? Sie haßten ihn mehr als die Drenai. Der Krieger zweier Welten! Er öffnete die violetten Augen, betrachtete die Sterne und wartete auf den Sonnenaufgang.
Er war prächtig und badete den Himmel in glühendes Rot – wie eine riesige Wunde, die im Osten blutete.
Nach einem hastigen Frühstück brachen sie wieder auf und stiegen höher ins Gebirge.
Dreimal im Laufe des Vormittages mußten sie absteigen, um die Pferde über Schneefelder zu führen. Weit unter ihnen erspähte Renya die roten Mäntel der Delnoch-Reiter.
»Sie haben uns gefunden!« rief sie.
Tenaka drehte sich um. »Sie sind zu weit zurück. Mach dir ihretwegen keine Sorgen.«
Eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichten sie eine Anhöhe. Vor ihnen ging es bedrohlich steil in die Tiefe. Zu ihrer Linken schmiegte sich ein schmaler Pfad an die nackte, eisige Felswand. Nirgends war der Pfad breiter als knapp zwei Meter.
»Da wollen wir doch wohl nicht rüber?« fragte Renya.
»Doch.«
Tenaka stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt los. Fast augenblicklich rutschte das Tier aus, fing sich aber wieder. Tenaka hielt den Kopf des Pferdes mit den Zügeln hoch und redete beruhigend auf das Tier ein. Sein linkes Bein berührte die Felswand, sein rechtes hing über dem Abgrund. Tenaka wagte nicht, sein Gewicht zu verlagern und sich umzudrehen, ob Renya ihm folgte. Das Pferd schritt langsam weiter, die Ohren flach an den Schädel gelegt, die Augen angstgeweitet. Im Gegensatz zu den Ponies der Nadir oder Sathuli war es nicht für die Berge gezüchtet.
Der Pfad wand sich immer um den Berg herum, wurde an einigen Stellen breiter, an anderen dagegen beängstigend schmal, bis sie schließlich an eine abschüssige Fläche aus purem Eis gelangten, die quer über den Weg verlief. Tenaka hatte gerade genug Platz, um aus dem Sattel zu gleiten, und ging vorsichtig vorwärts. Dann kniete er nieder, um das Eis zu prüfen. Die Oberfläche war mit frisch gefallenem Schnee überpudert, aber darunter schimmerte das blanke Eis.
»Können wir zurück?« rief Renya.
»Nein. Wir haben nirgendwo Platz, um die Pferde zu wenden. Und die Delnoch-Reiter werden inzwischen den Pfad erreicht haben. Wir müssen weiter.«
»Da rüber?«
»Wir müssen die Pferde am Zügel
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