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Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz

Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz

Titel: Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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führen«, sagte Tenaka. »Aber wenn ein Tier abzustürzen droht, halte es nicht fest. Verstanden?«
    »Das ist doch verrückt«, sagte sie und starrte auf die Hunderte von Metern tiefer liegenden Felsen hinunter.
    »Da kann ich dir nur beipflichten«, erwiderte er mit schiefem Grinsen. »Halte dich dicht an der Felswand und schling die Zügel nicht um die Hand. Halte sie nur locker fest. Bereit?«
    Tenaka trat auf die abschüssige Eisfläche, die Füße vorsichtig auf den Pulverschnee setzend.
    Er zog an den Zügeln, doch sein Pferd weigerte sich, einen Schritt zu tun; seine Augen waren weit aufgerissen vor Angst, und es stand kurz vor einer Panik. Tenaka ging zurück, schlang den Arm um den Hals des Tieres und flüsterte ihm ins Ohr.
    »Kein Problem für dich, Großherz«, flüsterte er. »Du hast doch Mut. Es ist nichts weiter als ein schwieriger Pfad. Ich bin ja bei dir.« Einige Minuten sprach er auf das Tier ein, tätschelte und streichelte den schlanken Hals. »Vertrau mir, Großer. Geh ein Stück mit mir.«
    Er trat auf das Eisfeld und zog an den Zügeln, und das Pferd tat einen Schritt. Langsam und vorsichtig verließen sie die Sicherheit des Pfades.
    Renyas Pferd glitt aus, fing sich aber wieder. Tenaka hörte das Scharren der Hufe, konnte sich jedoch nicht umdrehen. Der feste Felsboden war nur noch Zentimeter entfernt, doch als Tenaka seinen Fuß darauf setzte, rutschte sein Pferd plötzlich aus und wieherte entsetzt. Tenaka packte die Zügel fest mit der rechten Hand; mit der linken hielt er sich an einem Vorsprung in der Felswand fest.
    Als das Pferd auf den Abgrund zurutschte, spürte Tenaka, wie seine Rückenmuskeln sich spannten. Es kam ihm vor, als würden ihm die Arme ausgerissen. Er wollte die Zügel loslassen, konnte aber nicht, da er sie sich instinktiv um das Handgelenk geschlungen hatte. Wenn das Pferd stürzte, würde es ihn mit sich reißen.
    So plötzlich wie es den Halt verloren hatte, fand das Tier wieder Stand und mit Tenakas Hilfe kämpfte es sich auf den Pfad. Das Pferd stieß ihn mit der Nase an, und er klopfte ihm den Hals. Sein Handgelenk blutete, wo das Leder ihm ins Fleisch geschnitten hatte.
    »Verrückt«, sagte Renya, als auch sie mit ihrem Pferd wieder sicheren Boden erreicht hatte.
    »Kann ich nicht leugnen«, erwiderte Tenaka. »Aber wir haben es geschafft. Ab hier wird der Pfad breiter. Es kommen nur noch wenige gefährliche Stellen. Und ich glaube nicht, daß die Drenai uns über diesen Weg folgen.«
    »Ich habe das Gefühl, du bist unter einem Glücksstern geboren, Tenaka Khan. Aber verbrauche nicht all dein Glück, ehe wir bei den Nadir sind.«
    Sie lagerten in einer flachen Höhle und fütterten die Pferde, ehe sie ein Feuer aus Buschwerk anzündeten, das sie an die Sättel gebunden hatten. Tenaka streifte die Lederweste ab und legte sich neben dem Feuer auf seine Decke, während Renya ihm den Rücken massierte. Die Anstrengung, das Pferd vor dem Absturz zu bewahren, hatte ihren Preis gefordert, und der Nadirfürst konnte seinen rechten Arm kaum noch bewegen. Sanft tastete Renya das Schulterblatt und die geschwollenen Muskeln ab.
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte sie. »Ein Flickenteppich aus blauen Flecken.«
    »Du solltest es mal von meiner Seite aus fühlen.«
    »Du wirst langsam zu alt für so was«, erklärte sie boshaft.
    »Ein Mann ist so alt wie er sich fühlt, Weib!« fauchte er.
    »Und wie alt fühlst du dich?«
    »Ungefähr neunzig«, gestand er.
    Sie deckte ihn zu, setzte sich und starrte in die Nacht hinaus. Es war friedlich hier, weit weg vom Krieg. Renya lag nicht viel daran, Ceska zu besiegen – es ging ihr vor allem darum, bei Tenaka Khan zu sein. Männer waren so dumm; sie verstanden überhaupt nichts von der Wirklichkeit des Lebens.
    Liebe! Das war es, was zählte. Liebe des einen für den anderen. Die Berührung von Händen, von Herzen. Die Wärme des Zueinandergehörens, die Freude zu teilen. Tyrannen würde es immer geben. Die Menschen schienen ohne sie nicht auszukommen. Denn ohne Tyrannen konnte es auch keine Helden geben. Und ohne Helden konnten die Menschen nicht leben.
    Renya wickelte sich in ihren Umhang und legte das letzte Holz aufs Feuer. Tenaka schlief; sein Kopf ruhte auf seinem Sattel.
    »Wo würdest du ohne Ceska sein, Liebster?« fragte sie, wohl wissend, daß er sie nicht hören konnte. »Ich glaube, du brauchst ihn mehr als mich.«
    Seine violetten Augen öffneten sich, und er lächelte schläfrig.
    »Stimmt nicht«, sagte er.

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