Die Drenai-Saga 3 - Waylander
Nicht einmal die Frau und die Kinder?«
»Ich liebe gar nichts.«
»Ich lese in Menschen, wie andere Spuren lesen. Du bist ein offenes Buch für mich, Waylander, und ich glaube, daß du lügst – ebenso, wie du über Kaems Sohn gelogen hast. Aber lassen wir es dabei. Es spielt keine Rolle, außer für dich. Ich werde dich jetzt schlafen lassen.«
Der schwergewichtige General hievte sich hoch und trat in die Nacht hinaus. Der Regen hatte aufgehört. Karnak reckte sich und wanderte die Kolonne entlang, flankiert von seinen beiden Leibwächtern.
»Was hältst du von ihm, Ris?« fragte er den größeren der beiden.
»Ich weiß nicht, General. Sie sagen, er hat in Masin gut gekämpft. Er ist ruhig. Gelassen.«
»Aber würdest du ihm trauen?«
»Ich glaube schon. Ich würde ihm sicher eher trauen, als gegen ihn kämpfen.«
»Gut gesprochen.«
»Ich habe eine Frage, General, wenn ich darf?«
»Mein Gott, Mann, du brauchst nicht zu bitten. Sag schon.«
»All das Gerede über die Rüstung. Was hättest du damit getan?«
»Ich hätte sie zu Egel geschickt.«
»Das verstehe ich nicht. Dorthin will er sie doch auch bringen.«
»Das ganze Leben ist ein Rätsel, mein Freund«, erwiderte Karnak.
10
Die Stadt Skarta erstreckte sich auf der Ebene zwischen zwei Hügeln südwestlich von Skultik. Sie besaß keine Stadtmauern, wenn es auch Anzeichen für hastig errichtete Verteidigungsanlagen gab – locker zusammengefügte Barrikaden aus Steinen hinter tiefen Gräben. Überall waren Soldaten am Werk, die die Barrikaden weiter erhöhten oder die nach außen weisenden Fenster der Häuser an den Stadtgrenzen vernagelten.
Alle Arbeit kam jedoch zum Stillstand, als Karnak, jetzt an der Spitze der Kolonne, die Fuhrwerke in die Stadt leitete.
»Willkommen zurück, General!« rief ein Mann, der auf der Mauer saß, die er gerade baute.
»Fleisch zum Abendbrot. Wie klingt das?« brüllte Karnak.
Am Ende der Kolonne ritt Waylander mit Dardalion.
»Ein weiterer großer Sieg für Karnak«, bemerkte Waylander. »Sieh nur, wie die Massen sich um ihn scharen! Man könnte glauben, er selbst hätte Masin verteidigt. Wo ist Gellan in diesem Moment des Triumphs?«
»Warum magst du ihn nicht?« fragte Dardalion.
»Es ist nicht so, daß ich ihn nicht mag. Aber er ist ein Wichtigtuer.«
»Meinst du nicht, daß er das sein muß? Er hat eine demoralisierte Armee – eine Truppe, die dringend Helden braucht.«
»Vielleicht.« Waylander ließ seinen Blick über die Verteidigungsanlagen schweifen. Sie waren gut geplant, die Gräben tief genug, daß Reiter die Stadt nicht angreifen konnten, und die Mauern strategisch plaziert, so daß Bogenschützen einer angreifenden Armee schwere Verluste zufügen konnten. Aber in einem länger dauernden Kampf waren sie nutzlos, da sie weder hoch noch stark waren. Auch waren sie untereinander nicht verbunden. Es war unmöglich, Skarta in eine Festung zu verwandeln, und Waylander schätzte, daß die Anlagen mehr für die Kampfmoral der Stadt als für einen ernsten Versuch gedacht waren, gegen die Vagrier zu kämpfen.
Sobald sie die äußeren Anlagen passiert hatten, wurden die Fuhrwerke ins Zentrum von Skarta gezogen. Die Gebäude waren vorwiegend aus weißem Stein gebaut, der aus den im Norden gelegenen Delnoch-Bergen stammte. Die Stadt bestand zum größten Teil aus einstöckigen Häusern, die sich um ein altes befestigtes Landhaus in der Mitte scharten, das jetzt als Ratshaus und Egels Hauptquartier diente.
Waylander zügelte sein Pferd, als die Truppe in die Stadt einritt. »Ich stoße später zu dir«, rief er Dardalion zu, dann ritt er zu den östlichen Stadtvierteln. Seit seinem Gespräch mit Karnak wurde er nicht mehr bewacht, aber trotzdem bewegte er sich vorsichtig und prüfte mehrmals, ob er verfolgt wurde. Hier waren die Häuser ärmlicher, die Mauern weiß gestrichen, um den herrschaftlichen Häusern aus Granit und Marmor zu gleichen, die im Nordviertel standen. Doch die Steine waren von minderer Qualität.
Waylander ritt zu einem Wirtshaus in der Nähe der Straße der Weber und ließ sein Pferd in einem Stall an dessen Rückseite. Die Schänke war überfüllt, die Luft dick vom Geruch nach altem Schweiß und billigem Bier. Er schob sich zu der langen hölzernen Bar durch, wobei seine Augen prüfend über die Menge schweiften. Der Wirt hob einen Zinnkrug, als er ihn kommen sah.
»Bier?« fragte er.
Waylander nickte. »Ich suche Durmast«, sagte er.
»Viele Leute suchen Durmast. Er muß
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