Die Drenai-Saga 3 - Waylander
doch?«
»Es wird nicht lange dauern, das versichere ich dir.«
Im Laufe des Tages wurde Dundas der Versuche müde, ein Gespräch mit dem dunkelhaarigen Krieger in Gang zu bringen. Er wußte nicht, warum Karnak wollte, daß er bewacht wurde, und genaugenommen interessierte es ihn auch nicht. Aber so war Karnak eben – erklärte nur das Nötigste und erwartete, daß seine Befehle buchstabengetreu ausgeführt wurden. Manchmal war es außerordentlich enervierend, unter einem solchen Mann zu dienen.
»Wie ist er?« fragte Waylander plötzlich.
»Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders«, sagte Dundas. »Was hast du gesagt?«
»Der General – wie ist er?«
»Warum willst du das wissen?«
»Neugier. Soweit ich weiß, war er Erster Dun mit dem Kommando über eine Bergfestung. Jetzt ist er General.«
»Hast du nicht von Hargate und der Belagerung gehört?«
»Nein.«
»Ich sollte das den General wirklich selbst erzählen lassen. Inzwischen gibt es so viele wunderbare Ausschmückungen zu der Geschichte, daß es mich nicht erstaunen würde, zu hören, daß Drachen dabeigewesen wären. Aber trotzdem … möchtest du sie gerne hören?«
»Warst du dabei?«
»Ja.«
»Gut. Ich ziehe Berichte aus erster Hand vor.«
»Nun, wie du sagst, war Karnak Erster Dun in Hargate. Die Festung ist nicht groß – vielleicht zweimal so groß wie Masin, und außerhalb der Festung gibt es … gab es … eine kleine Stadt. Karnak hatte sechshundert Mann unter seinem Befehl. Die Vagrier sickerten nach Skoda ein und umzingelten Hargate und verlangten unsere Kapitulation. Wir weigerten uns und schlugen ihre Angriffe am ersten Tag zurück. Dann beobachteten wir, wie sie ihr Lager für die Nacht aufschlugen. Wir hatten an jenem Tag sechzig Mann verloren, aber wir hielten uns gut, und die Vagrier glaubten, sie hätten uns schon im Netz.«
»Wie viele waren es?« fragte Waylander.
»Wir schätzten sie auf achttausend. Jedenfalls, Karnak hatte Späher ausgeschickt, die nach den Vagriern Ausschau halten sollten – er hatte ihren Friedensversprechungen nie getraut –, und daher waren wir vorgewarnt, daß sie angreifen würden. Kennst du Hargate?« Waylander nickte. »Dann weißt du auch, daß etwa anderthalb Kilometer östlich davon ein kleiner Wald ist. Karnak hatte in der Nacht zuvor dreihundert Mann dorthin gebracht. Und als die Vagrier jetzt in ihrem Lager schliefen, kam er in den dunkelsten Stunden der Nacht über sie, setzte ihre Zelte in Brand und jagte die Pferde davon. Unsere Krieger machten genug Lärm, daß man sie für eine ganze Drenaiarmee hätte halten können, und wir öffneten die Tore und griffen sie auch von vorn an. Die Vagrier zogen sich zurück, um sich neu zu formieren, aber bei Tagesanbruch waren wir schon auf und davon nach Skultik. Wir müssen mehr als achthundert von ihnen getötet haben.«
»Schlau«, sagte Waylander, »aber wohl kaum ein Sieg.«
»Was meinst du damit? Sie waren uns zahlenmäßig mehr als zehn zu eins überlegen.«
»Eben. Ihr hättet euch sofort zurückziehen können, als ihr von der Invasion erfahren habt. Welchen Sinn hatte es, überhaupt zu kämpfen?«
»Hast du denn kein Gefühl für Ehre? Wir haben ihnen eine blutige Nase verpaßt – wir haben sie spüren lassen, daß die Drenai genausogut kämpfen, wie sie rennen können.«
»Aber sie haben die Festung trotzdem eingenommen.«
»Ich verstehe dich nicht, Dakeyras … oder wie immer du auch heißen magst. Wenn Davonlaufen dir soviel bedeutet, warum bist du dann nach Masin gegangen, um Gellan und seinen Männern zu helfen?«
»Es war der einzige sichere Ort. Oder besser gesagt, der sicherste, den ich finden konnte.«
»Nun, in Skultik wirst du sicher genug sein. Die Vagrier wagen es nicht, dort einzudringen.«
»Ich hoffe, die Vagrier wissen das auch.«
»Was soll das heißen?« fuhr der junge Offizier auf.
»Gar nichts. Erzählst du mir von Egel?«
»Warum? Damit du auch über
seine
Erfolge spotten kannst?«
»Du bist jung und heißblütig, und du siehst Spott, wo keiner ist. Es ist keine Gotteslästerung, eine militärische Entscheidung in Frage zu stellen. Es könnte sein, wie du sagst, daß Karnaks Entscheidung, den Vagriern eins auf die Nase zu geben, eine gute Entscheidung war, daß sie zum Beispiel den Kampfgeist stärkte. Aber mir scheint, daß es ein riskantes Unternehmen war, das auch gegen ihn hätte ausschlagen können. Wenn der Feind nun die Wälder hätte auskundschaften lassen? Dann hätte er die
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