Die Drenai-Saga 3 - Waylander
Es sieht aus, als hättest du dich nach und nach angezogen, als du betrunken warst.«
»Ich bin kein Mann für schicke Kleider«, gab Karnak zu. »Ich ziehe mich so an, daß es bequem ist. Jetzt erzähl mir von Egels Rüstung.«
»Ein alter Mann bat mich, sie für ihn zu holen, und ich versprach es ihm. Das ist kein Geheimnis.«
»Wie großartig du deine Mission herunterspielst. Der alte Mann war Orien, und die Rüstung ist eine Legende und im Land der Nadir versteckt.«
»Dardalion hat es dir erzählt. Nun, dann ist es nicht nötig, mir weiter Fragen zu stellen. Du weißt schon alles, was es zu wissen gibt.«
»Ich weiß nicht, warum du dich entschieden hast zu gehen. Was bringt es dir ein?«
»Das ist meine Sache.«
»Allerdings. Aber die Rüstung bedeutet den Drenai sehr viel, und das ist
meine
Sache.«
»Du bist in kurzer Zeit sehr weit gekommen, General. Es ist wohl kaum die Sache eines Ersten Dun einer heruntergekommenen Festung.«
»Versteh mich richtig, Waylander. Ich bin ein freundlicher Mensch mit einem Herz aus Gold … wenn die Leute tun, was ich will. So, ich mag dich, und ich versuche zu vergessen, daß ein Mann in Schwarz, der eine kleine Armbrust hat, König Niallad ermordet hat. Ein solcher Mann bekäme eine rasche Verurteilung.«
»Warum mußt du das alles wissen?«
Karnak lehnte sich zurück, seine hellen Augen fixierten Waylanders Blick. »Ich könnte die Rüstung verwenden, sie würde mir helfen.«
»Sie würde dir nicht passen, General.«
»Man könnte sie ändern.«
»Aber sie ist Egel versprochen.«
»Er weiß ja noch nicht einmal davon.«
»Du bist ein Mann voller Überraschungen, Karnak. Hier sitzt du am Rande einer Niederlage und planst deine glorreiche Zukunft. Was soll es sein? König Karnak? Klingt nicht schlecht. Graf Karnak, vielleicht?«
»So weit schaue ich nicht voraus, Waylander. Ich traue meinem Urteil. Egel ist ein guter Krieger und ein vernünftiger General. Vorsichtig, ja, aber in dem Mann ist Stahl. Mit gewissen Vorteilen könnte er diesem Krieg die entscheidende Wendung geben.«
»Und die Rüstung wäre genau so ein Vorteil«, bemerkte Waylander.
»Eben. Aber sie könnte woanders besser eingesetzt werden.«
»Wo?«
»In Purdol«, antwortete Karnak, beugte sich vor und beobachtete Waylander angespannt.
»Die Festung ist bereits umzingelt.«
»Es gibt einen Weg hinein.«
»Was hast du vor?«
»Ich werde zwanzig meiner besten Männer mit dir schicken, um die Rüstung zu holen. Du bringst sie nach Purdol – zu mir.«
»Und du wirst in Oriens Bronzerüstung auf den Wehrgängen stehen und dafür sorgen, daß du in der Geschichte der Drenai eine Rolle spielst.«
»Ja. Was sagst du dazu?«
»Ich sage, vergiß es. Orien hat mich um einen Gefallen gebeten, und ich sagte, ich würde es versuchen. Ich bin vielleicht kein großer Mann, Karnak, aber wenn ich etwas sage, kannst du dich auf mein Wort verlassen. Wenn es menschenmöglich ist, die Rüstung zurückzuholen, dann werde ich es tun … und sie Egel nach Skultik bringen, oder wo immer er auch sein mag. Beantwortet das deine Frage?«
»Dir ist klar, daß ich dein Leben in der Hand habe?«
»Das ist mir egal, General. Das ist die schlichte Schönheit dieser Aufgabe. Es ist mir gleich, ob sie erfolgreich ist – und irgendwelche Bedrohungen meines Lebens sind mir noch gleichgültiger. Ich habe nichts, wofür zu leben es sich lohnt. Mein Blut fließt in keinem anderen Lebewesen. Kannst du das verstehen?«
»Also kann ich dich mit Reichtümern oder Drohungen nicht versuchen?«
»Genau. Mein Ruf erweist sich damit als ziemlich unsinnig, nicht wahr?«
»Kann ich dir bei deiner Aufgabe irgendwie helfen?«
»Das ist eine etwas abrupte Sinnesänderung, General.«
»Ich bin Realist. Ich weiß, wann ich aufgeben muß. Wenn ich die Rüstung nicht haben kann, ist Egel der Nächstbeste für die Drenai. Also frage mich. Irgend etwas, das du brauchst?«
»Ich brauche nichts. Ich habe genügend Mittel in Skarta.«
»Aber du hast doch sicherlich nicht vor, allein zu gehen?«
»Im Idealfall würde ich gern eine Armee mitnehmen – aber in Ermangelung dessen hat ein einzelner größere Erfolgsaussichten.«
»Was ist mit Dardalion?«
»Sein Schicksal liegt woanders. Er kann und wird sich dir nützlich erweisen.«
»Wie bald willst du aufbrechen?«
»Bald.«
»Du traust mir noch immer nicht?«
»Ich traue niemandem, General. Vertrauen setzt Bedürfnisse voraus, Bedürfnisse Liebe.«
»Und du liebst gar nichts?
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