Die Drenai-Saga 3 - Waylander
Chance hast, sei sie auch noch so klein, den Lauf der Geschichte dieses Volkes zu verändern.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Eine sinnlose Frage – du wirst es nicht tun.«
»Was macht dich so sicher?«
»Ehre, Waylander. Du bist damit geschlagen.«
»Meinst du nicht gesegnet?«
»Nicht in deinem Fall. Sie wird dich umbringen.«
»Seltsam. Ich dachte, ich würde ewig leben.«
Er stand auf, um zu gehen, doch die alte Frau hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Ich kann dir eine Warnung mitgeben: Hüte dich vor der Liebe zum Leben. Deine Stärke liegt darin, daß dir der Tod gleichgültig ist. Das Chaos verfügt über viele Kräfte, und nicht alle sind von Schmerz und scharfen Klingen begleitet.«
»Ich verstehe nicht.«
»Liebe, Waylander. Hüte dich vor der Liebe. Ich sehe eine rothaarige Frau, die dir Kummer bereiten könnte.«
»Ich werde sie nicht wiedersehen, Hewla.«
»Vielleicht«, grunzte die alte Frau.
Als Waylander aus der Hütte trat, zuckte ein Schatten links von ihm, und er warf sich nach vorn, als eine Schwertklinge über seinen Kopf sauste. Er landete auf der Schulter, rollte sich auf die Knie. Sein Messer fuhr blitzschnell hoch und traf den Hals des Angreifers. Der verwundete Mann sank in die Knie und zerrte die Waffe aus der Kehle, aus der das Blut quoll. Dann fiel er vornüber. Waylander fuhr herum und spähte in die Bäume. Anschließend stand er auf und ging zu dem Toten. Er hatte den Mann noch nie gesehen.
Er säuberte sein Messer und steckte es gerade in die Scheide, als Hewla in die Tür trat.
»Es ist gefährlich, dich zu kennen«, sagte sie grinsend.
Seine dunklen Augen fixierten ihr faltiges Gesicht. »Du wußtest, daß er hier war, du alte Vettel.«
»Ja. Viel Glück bei deiner Suche, Waylander! Sei auf der Hut.«
Waylander ritt durch den dunkelsten Teil des Waldes nach Osten. Die Armbrust hielt er schußbereit. Seine dunklen Augen suchten ständig das Unterholz nach jeder Bewegung ab. Die Äste über ihm waren miteinander verwoben, vereinzelte Sonnenstrahlen trafen schräg auf die Bäume. Nach einer Stunde wandte er sich nach Norden, sein Nacken schmerzte von der zunehmenden Spannung. Cadoras war kein Mann, den man auf die leichte Schulter nehmen konnte. Sein Name wurde im Flüsterton in den finstersten Gassen verbotener Städte genannt: Cadoras der Jäger, der Traumtöter. Es hieß, daß niemand ihm an Gerissenheit gleichkam und nur wenige an Grausamkeit, aber Waylander tat die wilderen Geschichten ab, da er wußte, wie selbst die weiseste Tat durch die Legenden an Farbe gewann.
Denn von allen Menschen konnte gerade er Cadoras gut verstehen.
Waylander der Schlächter, der Seelenräuber, die Klinge des Chaos.
Sagendichter sangen dunkle Lieder über den wandernden Mörder, den Fremden. Sie beendeten ihre Erzählungen immer mit Waylanders Taten, wenn die Feuer schon niedergebrannt waren und die Wirtshausgäste sich anschickten, im Dunkeln den Heimweg anzutreten. Waylander hatte in mehr als einem Wirtshaus unbemerkt gesessen, wenn sie die Menge mit seiner Niedertracht unterhielten. Sie begannen ihre Vorstellungen mit Geschichten von goldenen Helden, schönen Prinzessinnen, von Schatten heimgesuchten Burgen und silbernen Rittern. Aber wenn die Stunden vergingen, würzten sie sie mit einem Hauch von Furcht, dem Geschmack von Entsetzen. Und die Männer gingen hinaus in die dunklen Straßen mit ängstlichen Augen, die in den Schatten nach Cadoras dem Jäger oder nach Waylander dem Schlächter suchten.
Wie würden die Dichter vor Freude tanzen, wenn sie hörten, daß Cadoras angeheuert worden war, um den Schlächter zu jagen!
Waylander wandte sich nach Westen entlang den Delnoch-Bergen, bis er auf eine große Lichtung kam, auf der etwa dreißig Fuhrwerke warteten. Männer, Frauen und Kinder saßen beim Frühstück um die Feuer, während der Riese Durmast von Gruppe zu Gruppe ging, um seine Bezahlung einzusammeln.
Sobald er die Bäume hinter sich hatte, entspannte Waylander sich und trabte ins Lager. Er entfernte die Bolzen aus der Armbrust und löste die Sehnen. Dann klemmte er die Waffe in den Gürtel und glitt aus dem Sattel. Durmast, der sich zwei lederne Satteltaschen über eine Schulter geworfen hatte, erblickte ihn und winkte. Er ging zu einem der Fuhrwerke in der Nähe, warf die Taschen hinein und schlenderte zurück zu Waylander.
»Willkommen«, begrüßte er ihn grinsend. »In diesem Krieg kann man gute Geschäfte machen.«
»Flüchtlinge?« fragte
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