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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Puerto Rico, Karibisches Meer
    Der Tag wurde heiß, und die Luftfeuchtigkeit stieg auf über neunzig Prozent. Südlich von Puerto Rico türmte sich ein riesiges Wolkengebilde auf. Wie im Sog eines Staubsaugers wurde die warme und feuchte Luft in die Höhenregionen gesaugt. An der Tropopause stießen die Wolken an ihre natürliche Grenze, und ein dichter Schirm breitete sich aus. Der Luftdruck war mittlerweile auf ein historisches Tief im Bereich des Wolkenwirbels gefallen, und die Konfektionsströme wurden von heftigen Winden erfasst, welche die Säule aus Luft und Wasser in eine immer stärker werdende Drehbewegung versetzten. Der Sog im Warmluftturm verstärkte sich, und immer mehr warmes Wasser wurde in die Höhe gerissen, um sich hoch oben zu weiten Wolkenfeldern zusammenzuschließen. Von Minute zu Minute wuchs die tropische Depression und bildete sich zu einem mächtigen Zyklon aus, der in nördliche Richtung wanderte und dort auf das warme Oberflächenwasser südlich von Puerto Rico traf. Es war, als würde man Benzin in ein Feuer gießen.
     
    Kurz nach ein Uhr mittags klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch von Cliff Sebastian. Allan Clark vom National Hurricane Center in Miami war am Apparat.
    »Hast du die Daten der Region unterhalb von Puerto Rico schon erhalten?«, fragte er ohne Umschweife. Seine Stimme klang besorgt.
    »Ich war heute früh damit beschäftigt, den Jahresbericht für das Klimasymposium in San Francisco vorzubereiten. Was ist los?«
    »Das wird das Gewaltigste, was bislang den Golf entlang nach Norden gewandert ist«, fuhr Allan Clark fort. »Wir haben Daten von einem Wetterflugzeug erhalten. Das ist keine Konvektionsströmung mehr, das Wasser wird förmlich in die Luft gepumpt. Wenn das in den nächsten Stunden so weitergeht, dann rollt ein Monster auf uns zu, das wir bislang nicht für möglich hielten.«
    »Welches Ausmaß?«
    »Vorsichtig geschätzt haben wir Windgeschwindigkeiten von beinahe 400 Kilometer im Inneren zu erwarten. Der Ozean ist zu einer brodelnden Suppe geworden. Unterströmungen durch die Verwirbelungen verändern ständig die Strömungsrichtungen. Wenn uns das trifft, dann gnade uns Gott.«
    »Und wie sieht es im Westen aus?«
    »Dort scheint sich ein ähnlicher Sturm zusammenzubrauen. Es sind offenbar wieder Drillinge, denn auch in der Labrador-See braut sich etwas Gewaltiges zusammen.«
    »Langsam glaube ich nicht mehr an Zufall«, erwiderte Cliff.
    »Von der Solaris und der Timbury haben wir sonderbare Meldungen erhalten. Sie haben Polarlichtaktivitäten festgestellt. Der ganze Himmel über der Clipperton-Insel und vor der Ostküste Mexikos glühte rot.«
    Cliff Sebastian runzelte die Stirn. »Wir haben keine außergewöhnlichen Sonnenaktivitäten registriert«, sagte er nachdenklich.
    »Dann muss es eine andere Himmelserscheinung gewesen sein«, meinte Allan. »Auf jeden Fall behalten wir erst einmal Fjodor im Auge und schauen, was sich daraus entwickelt. Vielleicht haben wir Glück.«
    »Fjodor, ist das sein Name?«
    »Da wir alle auf derselben Erde wohnen, können wir ruhig auch ein paar exotische Namen verwenden.«
    Cliff verzog das Gesicht. »Ich hoffe nur, dass Fjodor nicht an die Zeiten des Kalten Krieges erinnern wird.«
Pazifikküste, Mexiko
    Während sich unweit von Puerto Rico aus einer tropischen Depression ein noch nie da gewesener Megasturm entwickelte, türmten sich im Laufe des Tages auch auf der anderen Seite des südamerikanischen Kontinents vor der Westküste Mexikos dunkle Wolken auf und schraubten sich immer höher in den Himmel.
    Am Abend des 17. Juni, einem Donnerstag, wurde George geboren. Er nährte sich von Wasserdampf und warmer Luft, er wuchs und gedieh. Von Weitem wirkte er wie der Explosionspilz einer Atombombendetonation. Immer weiter und dichter drängten sich die Wolken unterhalb der Tropopause. Der Wind hatte die Luftsäule in eine Rotation versetzt, die stetig an Geschwindigkeit zunahm.
    Dr. Allan Clark vom National Hurricane Center in Miami rief an diesem Donnerstag zum zweiten Mal bei Cliff Sebastian in der NOAA-Zentrale in Boulder, Colorado, an und teilte ihm mit, dass ein weiterer Hurrikan vor den Küsten der Vereinigten Staaten entstanden war. Bislang wurde George in die Kategorie 4 eingestuft, doch wenn er weiterhin so rasant anwuchs, dann würde auch er, ebenso wie Fjodor, bald die höchste Stufe der Skala erreicht haben.
Kennedy Space Center, Florida
    Es war alles vorbereitet. In der Simulationskammer herrschte Stille.

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