Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
soll umgehend erfahren, was hier draußen vor sich geht!«
NOAA, Boulder, Colorado
    Cliff Sebastian hatte dunkle Ringe unter den Augen, als er sich gegen vier Uhr mitten in der Nacht an seinen Computer setzte und eine Mail an Wayne Chang schrieb.
    Die Neuigkeiten von der Timbury waren zu aufregend gewesen, als dass er nach dem Anruf kurz nach Mitternacht noch einmal zu Bett gehen konnte. Er war aufgestanden und in sein Büro gefahren. Auf seinen Laptop hatte er sich sämtliche Daten heruntergeladen, die von der Timbury übermittelt worden waren. Über drei Stunden war er mit den Aufzeichnungen beschäftigt. Bilder, Zahlenkolonnen und Farbspektrogramme, Balkencodes, Wärmebildaufnahmen und Dopplerradarbilder. Die ganze Anatomie des Sturms auf einen Blick. Und doch war es nur eine Momentaufnahme, denn nichts war unbeständiger als ein Hurrikan. Von Stunde zu Stunde änderten sich die Parameter. Zu viele Faktoren nahmen Einfluss. Was Cliff Sebastian am meisten verwirrte, war die spektroskopische Auswertung der Reflexionsstrahlung. In Verbindung mit dem roten Leuchten am Himmel hinterließ es eine tiefe Ratlosigkeit bei ihm.
    Reflexionsstrahlung war nichts Ungewöhnliches. Jeden Tag war diese extrem langwellige Strahlung auf der Erde feststellbar. Sonnenstrahlen, die durch die Erdoberfläche ins All zurückgeworfen wurden und schließlich, an der Ionosphäre reflektiert, wieder den Rückweg zur Erde antraten. Doch bei der Strahlung, die auf der Timbury aufgezeichnet worden war, fehlte ein wesentliches Element. Die Sonne war längst hinter dem Horizont verschwunden.
    Der Einzige, der vielleicht Licht ins Dunkel bringen konnte, war Professor Wayne Chang, schließlich hatte er die Messungen angeregt. Vielleicht hatte Wayne eine Idee. Also beschloss er, ihm eine E-Mail zu schreiben, denn seinen E-Mail-Account würde er zweifellos checken, egal, wo er gerade war. Er benutzte dafür seine private E-Mail-Adresse, die er unter dem Pseudonym »Karimali« angelegt hatte, damit er zu Hause von lästigen Werbemails und Produktangeboten verschiedenster Firmen verschont blieb, wie er sie laufend aus seinem offiziellen Postkorb der NOAA löschen musste.
Kennedy Space Center, Florida
    Professor Wayne Chang war früh aufgestanden und hatte sich mit seiner Morgentoilette beeilt, um rechtzeitig im Versuchslabor zu sein.
    Der heutige Tag würde die Entscheidung bringen, ob die neu konstruierte Steuereinheit den Belastungen starker Energieeinstrahlung gewachsen war. Das Hochspannungslabor war vorbereitet. Chang war zufrieden. Zwar hatte er bei der Konstruktion selbst nur wenig beitragen können, doch seine Meinung als Spezialist für Geophysik und Meteorologie war von unschätzbarem Wert für das Team gewesen.
    Manchmal war es schon verwunderlich, welche Ursachen eine vermeintlich kleine Betriebsstörung nach sich ziehen konnte, und Raumflug war nun einmal eine Sache, in der es auf Nanosekunden ankam. Ohne absolute Präzision war jeder Start ins All ein einziges Abenteuer. Präzisionsarbeit war schon immer das Ziel der Experten gewesen, die im Umfeld der NASA dafür sorgten, dass alles reibungslos verlief. Sicherlich, Unfälle hatte es immer schon gegeben und würden wohl auch nie wirklich ausgeschlossen werden können, doch hatte man bislang immer aus den Vorfällen gelernt und die Systeme einer weiteren Optimierung unterzogen. Vielleicht gab es auch deshalb in der amerikanischen Raumfahrtgeschichte weitaus weniger Unfälle als bei den Russen oder dem europäischen Ariane-Programm.
    Bevor Wayne sein Apartment verließ, schaltete er gewohnheitsmäßig seinen Laptop an und checkte seine eingegangenen Mails. Neben einer E-Mail von Jennifer, in der sie ihm mitteilte, dass sie beruflich einen Abstecher nach Salt Lake City machen müsse und für drei Tage nur über ihr Handy zu erreichen sei, befanden sich zwei weitere Mails in seinem Postkorb. Die Mail von Karimali öffnete er als Zweites. Er wusste genau, von wem sie war. Als sich Cliff Sebastian vor ein paar Monaten diesen exotischen Namen ausgesucht hatte, beklagte er sich, dass mittlerweile auch sein privater Postkorb ständig von Spamnachrichten und Werbemails überquoll. Jeder versuchte ihm etwas zu verkaufen. »Einem Mann mit einem solchen Namen schickt in der heutigen Zeit bestimmt niemand Angebote über Zeitschaltuhren, Interferometer oder Spektralanalysegeräte«, hatte er gescherzt.
    Als Wayne die kurze Nachricht überflog, zuckte er zusammen. Bislang hatten die Medien noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher