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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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hielt die Augen geschlossen. Dwain wusste, dass der alte Indianer ihn gehört hatte. Er steckte den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Zelle.
    »Geht es dir gut?«, fragte Dwain leise.
    Der Indianer öffnete die Augen. »Ich war meinem Schöpfer nahe, und er hat mir anvertraut, dass er mich liebt. Wie geht es jemandem, der weiß, dass er geliebt wird?«
    »In der Nacht war dein Schöpfer fern von dir«, antwortete Dwain. »Du hast meine Jacke und meinen Jeep mit deinem Essen verziert. Die Liebe deines Schöpfers war nicht besonders groß.«
    Der Indianer lachte kehlig. »Weißer Mann, großer weißer Mann. Ich habe dir erzählt, warum ich angehalten habe. Sie sind gekommen. Es sind die Boten des Todes. Auf roten Schwingen sind sie durch die Nacht geritten. Sie sind gekommen, um die Naturgewalten zu entfesseln. Bald werden wir alle zu unserem Schöpfer gehen.«
    »Es waren die Boten des Mescal aus Tante Gippys Brennerei, die dir die Sinne vernebelten. Das feurige Wasser des weißen Mannes tut einem alten Indianer wie dir nicht gut. Dein Wagen steht im Graben, und eigentlich sollte ich dir den Führerschein abnehmen.«
    Beleidigt blicke Jack Silverwolfe zu Boden.
    »Was weißt du über den toten Jungen vom Coward Trail?«
    Silverwolfe zögerte.
    »Ich kann deinen Wagen beschlagnahmen und ihn ins Labor schicken. Außerdem werden Hunderte von Stiefeln über dein Land trampeln. Wir werden jeden Stein umdrehen. So lange, bis wir etwas gefunden haben. Überlege es dir.«
    »Das Land ist heilig«, erwiderte Jack Silverwolfe. »Es ist das Land, wo meine Ahnen wohnen. Lange bevor ihr Weißen in das Land gekommen seid, haben wir unsere Toten an der Biegung des Flusses bestattet.«
    »Der Junge ist tot, und du weißt etwas darüber. Bevor ich nicht alles erfahren habe, bleibst du in dieser Zelle. Es ist mir egal, wessen Knochen in der Erde neben deiner Hütte vermodern. Wir werden jeden Zentimeter durchsuchen. Und wenn sich die Geister deiner Ahnen bei uns beschweren, dann werde ich laut deinen Namen rufen und ihnen sagen, dass du an allem schuld bist.«
    Jack Silverwolfe wurde langsam nervös. »Die Geister der Toten werden es nicht zulassen, dass ihre Ruhe gestört wird.«
    »Deine Geister werden mich nicht daran hindern. Ich werde ihnen sagen, dass Silverwolfe die Verantwortung trägt.«
    Jack Silverwolfe löste die Beine aus dem Schneidersitz und erhob sich. Betreten blickte er zu Boden. »Die Weißen sehen nur mit ihren Augen, sie fühlen mit ihrer Hand und glauben nur an das, was sie sehen«, murmelte er. »Unser Volk sieht mit dem Geist und fühlt mit all seinen Sinnen, ihr hingegen seid blind, taub und gefühllos. Ihr werdet den tieferen Sinn unserer Natur nie verstehen lernen, weil ihr euren Geist verschlossen haltet. So wie ihr nicht merkt, dass die Geister längst euer Ende beschlossen haben. Zuerst schicken sie Winde, dann folgt das Wasser, und am Ende wird sich die Erde auftun, und die ganze Welt wird vom Feuer des großen Geistes verschlungen. So ist es überliefert.«
    »Und du wirst der Erste sein, den ich persönlich den Flammen zum Fraß vorwerfen werde. Was weißt du über den Toten vom Coward Trail?«
    Jack schwieg, wenngleich Dwain spürte, dass sein Widerstand allmählich brach.
    Der Sheriff wandte sich um. »Ich habe keine Lust mehr, meine Zeit in deiner Zelle zu vergeuden. Der Tag ist noch jung, und draußen am Rio ist es hell.«
    »Er kauerte an der Straße«, beeilte Jack sich zu sagen. »Es war mitten in der Nacht. Ich bin aus Magdalena gekommen und habe angehalten. Er fror, war ausgemergelt, und der große schwarze Schatten schwebte bereits über ihm.«
    »Wo hast du ihn gesehen?«
    »Es war im Cibola, kurz hinter Magdalena«, antwortete Jack. »Ich nahm ihn mit zu mir. Ich versuchte ihm zu helfen, aber sein Geist verließ ihn. Ich konnte nichts mehr für ihn tun.«
    »Er ist in deiner Hütte gestorben?«
    »Er starb kurz nach Mitternacht.«
    »Und warum hast du ihn nicht einfach im Wald verscharrt?«
    Jack setzte sich wieder auf die Pritsche. »Ich wollte, dass er den Weg zum Großen Geist findet. Deswegen legte ich ihn am Coward Trail ab, damit der Junge auf eurer heiligen Erde ruht, bis er gerufen wird.«
    »Hat der Junge etwas gesagt? Habt ihr miteinander gesprochen?«
    Jack schüttelte den Kopf. »Er war der Welt entrückt. Er sprach im Wahn und erzählte von einem feurigen Strahl, auf dem seine Gedanken in den Himmel reisten. Er sprach vom Tod. Ich konnte ihm nicht mehr helfen.«
    Dwain

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