Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
zwei Atomkraftwerken, die für einen erheblichen Teil der Elektrizität der Stadt verantwortlich sind. 2006, als die Wirtschaft sowohl der USA als auch San Antonios ein rasantes Wachstum zu verzeichnen hatte, begann man sich bei CPS Sorgen zu machen, der Stadt würde bei anhaltender Wachstumskurve 2016 eine Energieknappheit drohen. Um dem prognostizierten Defizit entgegenzuwirken, würde CPS, so der Schluss des Managements, seine »Grundlastkapazität« in erheblichem Maße hochfahren müssen – entweder durch Hinzunahme von Kohlestrom oder Kernkraft. Man entschied sich für Letzteres mit dem Argument, dass Atomenergie kein Kohlendioxid freisetze, folglich eine saubere Option sei, die es der Stadt erlaube, ihre Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen.
CPS ging eine Partnerschaft mit NRG Energy, dem größten unabhängigen Stromproduzenten Amerikas, ein, und die beiden bildeten zusammen mit Toshiba ein Joint Venture namens Nuclear Innovation North America (NINA) für die Entwicklung zweier neuer Kernreaktoren. Jede der beiden Firmen wäre mit 40 Prozent an dieser Betreibergesellschaft beteiligt; ein Käufer für die restlichen 20 Prozent würde sich finden. 2007 reichten CPS und NRG einen Antrag bei der US Nuclear Regulatory Commission für den Bau der beiden Reaktoren ein; dies |115| war der erste Antrag für den Neubau von Atomreaktoren in den USA seit 29 Jahren – seit der Kernschmelze in dem Reaktor auf Three Mile Island 1979. Die Stadt bewilligte 276 Millionen Dollar für die Vorarbeiten, allerdings mit der Auflage, die fünfprozentige Strompreiserhöhung, die CPS ihrer Kundschaft als Finanzierungsbeihilfe für die neuen Kraftwerke aufbürden wollte, auf 3,5 Prozent zu reduzieren. 113
Gleichzeitig erweiterte CPS seine Kapazitäten bei der Erzeugung von Windenergie erheblich. Mit 910 Megawatt erneuerbarer Energie vertraglich festgelegt, 94 Prozent davon texanischer Wind, konnte CPS sich damit brüsten, mehr erneuerbaren Windstrom zu produzieren als irgendein anderer stadteigener Versorgungsbetrieb in den USA. Konnte CPS es sich leisten, in Richtung sowohl Atomkraft als auch erneuerbare Energien zu expandieren?
Es gab dabei drei weitere Faktoren zu bedenken. Zunächst einmal kam es zu lautstarken öffentlichen Protesten gegen einen Ausbau der Atomenergie. Bürgergruppen sorgten sich um die Umweltrisiken; das Schreckgespenst Three Mile Island ging nach wie vor um. Außerdem hatte man Bedenken, was die nach 60 Jahren Kernenergie immer noch ungelöste Frage von Transport und Lagerung des tödlichen Abfalls anging. Zweitens machte sich der Stadtrat Sorgen um die mögliche Kostenüberschreitung beim Bau von gleich zwei Atomkraftwerken; man fürchtete, Stadt und Steuerzahler könnten irgendwann auf einer aus dem Ruder gelaufenen Rechnung sitzen bleiben, mit verheerenden Auswirkungen auf Finanzen und Wirtschaft der Stadt. Drittens war da die Frage, welcher der beiden Energiewege wohl eher für neue ökonomische Möglichkeiten und die dringend benötigten Arbeitsplätze sorgen würde.
Diese Probleme tauchten sowohl in unseren privaten Unterredungen als auch bei öffentlichen Meetings mit CPS Energy wiederholt auf. Aurora Geis hatte nach dem Spanienbesuch sozusagen eine Offenbarung gehabt, aber verstand sie auch, dass die beiden Energiewege, die CPS da verfolgte, philosophisch nicht unter einen Hut zu bringen waren? Die Frage lief letztlich darauf hinaus, ob die Stadt sich weiterhin auf die traditionellen, zentralisierten Energien des 20. Jahrhunderts verlassen |116| oder ob sie mit der Umstellung auf die dezentralisierten Energien des 21. Jahrhundert beginnen wollte. Es ging hier um zwei völlig unterschiedliche Ansätze bei der Energieerzeugung – die eine von oben nach unten, die andere
peer to peer.
Letzterer erforderte ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich der Art und Weise, in der ein Versorgungsunternehmen sein Geld verdient.
Nur einen Monat nach der offiziellen Bekanntgabe unserer Strategie und drei Tage vor der Abstimmung im Stadtrat über die Investition weiterer 400 Millionen Dollar in das 8,5 Milliarden teure Kernkraftprojekt informierte Toshiba den Bürgermeister, man habe die Kostenprognose für die beiden Reaktoren um vier Milliarden Dollar nach oben korrigieren müssen – ein schier unglaublicher Kostensprung. Und offenbar hatte das der eine oder andere aus der Chefetage von CPS bereits Wochen zuvor gewusst, ohne den Vorstand oder den Stadtrat darüber zu informieren.
Als das ruchbar wurde, rollten
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