Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
durch die neuen dezentralisierten und kollaborativen Organisationsmodelle, die mit der Dritten Industriellen Revolution einhergehen. Der sakrosankte Austausch von Eigentum auf den Märkten ist teilweise schon auf den Kopf gestellt worden durch den gemeinsamen Zugang zu gewerblichen Dienstleistungen in Open-Source-Netzwerken. Nationale Märkte und nationalstaatliches Regierungshandeln, einst das Milieu für jede ökonomische Aktivität, weichen kontinentalen Märkten und kontinentalen Regierungsbündnissen. Folge davon ist, dass die heutige Volkswirtschaftslehre zunehmend irrelevant wird – sowohl für die Erklärung der Vergangenheit als |206| auch für das Verständnis der Gegenwart und für die Prognose dessen, was kommt.
Auch wenn der Begriff »Paradigmenwechsel« in den letzten Jahren arg strapaziert wurde, was die Wirtschaftslehre anbelangt – ich denke doch, dass er passt. Das Verständnis unserer Kinder von ökonomischer Theorie und ihren Leitsätzen für die wirtschaftliche Praxis wird sich so radikal von dem unseren unterscheiden wie das Denken der Markttheoretiker von der Philosophie vom »angemessenen Preis«, von der im Mittelalter Handel und Gewerbe bestimmt waren.
Der Biochemiker Lawrence Joseph Henderson hat einmal gesagt: »Die Wissenschaft verdankt der Dampfmaschine mehr als die Dampfmaschine der Wissenschaft.« Mit anderen Worten: Unsere intellektuellen Abstraktionen sind oft kaum mehr als Erklärungen dessen, was wir in unseren technischen Anwendungen längst erfahren. Womöglich blicken wir in 50 Jahren zurück und sagen dasselbe über die Technologien der Dritten Industriellen Revolution und die neue ökonomische Theorie, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach begleiten wird.
|207| Teil III
Das Zeitalter der Zusammenarbeit
|209| Kapitel 7
Aufs Altenteil mit Adam Smith
D ie Morgendämmerung des Marktzeitalters und der Beginn der Ersten Industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert bescherten uns eine neue akademische Disziplin: die Wirtschaftswissenschaft. In ihren Versuchen, diese neuen Kräfte zu verstehen, die die kohlebefeuerte Dampftechnologie und Fabrikproduktion da entfesselten, sahen sich die Gründerväter der neuen Disziplin – Adam Smith, Jean-Baptiste Say und andere – bei der Ausgestaltung ihrer Theorien von der Funktionsweise des Marktes auf einem ganz anderen Gebiet nach einem Satz von Prinzipien und Metaphern um: dem ebenso neuen Gebiet der Physik.
Die Newtonschen Gesetze und selbstregulierende Märkte
Sir Isaac Newtons mathematische Methode für das Verständnis mechanischer Bewegung war damals der letzte Schrei. Praktisch jeder ernsthafte Denker stibitzte sie, um die Bedeutung der Existenz und den Lauf der Welt zu erklären.
Newton erklärte, dass »alles von bestimmten Kräften abhängen könnte, durch die die Teilchen der Körper aus noch nicht bekannten Ursachen entweder wechselseitig gegeneinander stoßen und in regelmäßigen Strukturen zusammenhängen, oder sich wechselseitig fliehen und voreinander zurückweichen«. Schon früh bringt man jedem Schulkind die drei Newtonschen Gesetze bei, in denen es heißt:
»Ein Körper verharrt im Zustand der gleichförmig gradlinigen Bewegung oder der Ruhe, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt; die Beschleunigung |210| eines sich bewegenden Körpers ist direkt proportional der auf ihn ausgeübten Kraft, und er folgt gradlinig in der Richtung, in der die Kraft auf ihn einwirkt; und jeder Aktion entspricht eine gleich große, entgegengesetzt gerichtete Reaktion.« 1
In dem Bestreben, seine Betrachtungen auf die mathematischen Gewissheiten der Physik zu stellen, argumentierte Adam Smith, der Markt reagiere, einmal in Bewegung gesetzt, wie das Universum – wie eine wohlausgewogene mechanische Uhr. Wie Gott die Primärkraft des Universums sei, so das dem Menschen angeborene wetteifernde Eigeninteresse die Primärkraft des Marktes. Und wie die Gravitationsgesetze das Universum regierten, so herrsche eine unsichtbare Hand über die Geschäfte des Marktes. Newtons Beobachtung, dass »auf jede Aktion eine gleich große, in die Gegenrichtung wirkende Reaktion erfolgt«, übertrug Smith auf den sich selbst regulierenden Markt, insofern Angebot und Nachfrage ständig aufeinander reagierten und so einander wieder in Ordnung brächten. Wenn die Nachfrage der Verbraucher nach Gütern und Dienstleistungen steige, stiegen auch deren Preise. Stiegen sie zu hoch, lasse die Nachfrage nach, was die Verkäufer zu
Weitere Kostenlose Bücher