Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
beim Umweltschutz« spielt. 56
In der Praxis lassen sich viele südamerikanische Staaten bei der Entwöhnung von fossilen Brennstoffen Zeit. Brasilien, der wirtschaftliche Motor des Kontinents, bildet da eine Ausnahme. Hier deckt man 84 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbarer Wasserkraft; jeder Liter Benzin enthält zwischen 20 und 25 Prozent heimisches Äthanol. Der große Anteil von hydroelektrischem Strom und pflanzlichem Äthanol macht Brasilien, was erneuerbare Energien angeht, zu einer der fortschrittlichsten Ökonomien der Welt.
Dennoch könnte es mit Brasiliens Liebe zu erneuerbaren Energien bald vorbei sein. Die Entdeckung großer Ölreserven im tiefen Gewässer vor seiner Küste hat das Land schlagartig zu einem der größten Ölproduzenten der Welt gemacht; es rangiert heute an zwölfter Stelle. Da drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob seine Energiepolitik – die heimische wie die internationale – weiterhin in Richtung einer Dritten |202| Industriellen Revolution gehen oder ob es zu einem Rückfall zur alten Ölkultur kommen wird.
Eine Unbekannte in Brasilien ist die künftige hydroelektrische Kapazität. Wasser ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, aber die Erderwärmung führt zu großen Veränderungen im hydrologischen Kreislauf und immer größeren Überschwemmungen und längeren Trockenperioden. Der Amazonas, die Hauptwasserquelle für die Stromerzeugung, gehört zu den Regionen der Welt, die bereits von der durch Klimawandel verursachten Trockenheit betroffen sind. 2005 erlebte die Region die schlimmste Trockenperiode seit Jahrzehnten, was zu einem erheblichen Rückgang der hydroelektrischen Kapazität des Landes führte. Folge davon waren Spannungsschwankungen und Blackouts das ganze Jahr hindurch. Noch schlimmere Dürreperioden in der Zukunft können auch der Zuckerrohrproduktion schaden und den Preis von Äthanol in die Höhe treiben. Allerdings verfügt Brasilien über große Ressourcen an Sonnenenergie, die jedoch erst noch nutzbar zu machen wären, um diese Lücke zu füllen.
Andernorts beginnt man dieses Potenzial zu nutzen, um vorbereitet zu sein, wenn der Ölhahn abgedreht wird. Die Wüsten im Nahen Osten und Nordafrika haben ein größeres Solarpotenzial pro Quadratmeter als irgendeine andere Region auf der Welt – das Potenzial ist sogar größer als alles Öl, das man dort je aus der Erde unter den Sanddünen geholt hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate, der fünftgrößte Ölproduzent der Welt, bereitet sich bereits auf die Ära nach dem Öl vor. Abu Dhabi investiert Milliarden Dollar in den Bau einer neuen »Ökostadt« mitten in der Wüste. Das Projekt nennt sich Masdar City und könnte die erste kohlenstofffreie Stadt sein, die ihre Energie ausschließlich aus Sonne und Wind bezieht. Es ist ein urbaner Raum der Dritten Industriellen Revolution mit allen Finessen moderner Architektur und Baustoffen, angelegt auf maximale Energieersparnis, gestützt auf einen emissionsfreien öffentlichen Nahverkehr – die erste von vielleicht Tausenden solcher Städte, die später einmal die Knoten dezentralisierter Netze bilden werden, die jeden Kontinent überziehen werden.
|203| Von der Geopolitik zur Biosphärenpolitik
Die interkontinentale Ära wird die internationalen Beziehungen langsam verändern, von der Geopolitik hin zur Biosphärenpolitik. Wie bereits erwähnt, ist die Biosphäre der Raum vom Meeresboden bis zum Beginn des Weltraums, in dem sich das Leben und die für dieses Leben nötigen geochemischen Prozesse abspielen.
Die jüngsten Erkenntnisse der Wissenschaft über die Funktionsweise der Biosphäre kommen praktisch einer Wiederentdeckung unseres Planeten gleich. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen – Physik, Chemie, Biologie, Ökologie, Geologie und Meteorologie – beginnen die Biosphäre als lebenden Organismus zu sehen, dessen verschiedene chemische Abläufe und biologische Systeme ständig in einer Unzahl subtiler Kopplungsschleifen miteinander interagieren. Und diese ermöglichen das Leben auf dieser winzigen Oase im Universum.
Diese Veränderung in der Art, wie Wissenschaftler die Erde sehen, ist in ihren Implikationen nicht weniger tiefgreifend als die Veränderung im Denken zu Beginn der Moderne, als Astronomen und Aufklärer die biblische Schilderung der Erde als Schöpfung Gottes auf den Kopf stellten und durch die Auffassung ersetzten, sie sei ein in den Raum geschleuderter Rest der Sonne, der im Lauf von Jahrmillionen abkühlte und zu
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