Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
allgemeine physische Wohlergehen der ganzen Menschheit«. 4
Der erste Ökonom, der sich mit seiner Zunft direkt anlegte, war Nicholas Georgescu-Roegen, ein Professor der Vanderbilt University in Nashville, dessen 1971er Meilenstein von einem Buch
The Entropy Law and The Economic Process
damals eine kleine Sensation war, dann aber rasch von den meisten seiner Kollegen wieder vergessen wurde. Herman Daly, ein Student von Georgescu-Roegen, später Ökonom bei der Weltbank und heute Professor an der University of Maryland, brachte – auf Georgescu-Roegens richtungsweisendem Werk aufbauend – 1973
Toward a Steady State Economy
heraus. Das Buch hat am Rande der ökonomischen Profession für Diskussionen gesorgt, weil es ökologische |215| Fragestellungen ins ökonomische Denken mit einbezog und, was nicht weniger wichtig ist, das Fundament legte für spätere Diskussionen darüber, wie die Grundsätze der Nachhaltigkeit auf das Gebiet der Wirtschaft übertragen werden könnten.
1980 veröffentlichte ich mein Buch
Entropie
, für das ich Georgescu-Roegen zu einem Nachwort gewinnen konnte. Das war mein Versuch, die Geschichte von einer thermodynamischen Warte aus umzuschreiben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der aus den Fortschritten der menschlichen Zivilisation resultierenden entropischen Konsequenzen.
Entropie
war eines der ersten Bücher, die sich eingehend mit der entropischen Wirkung der beiden ersten industriellen Revolutionen auf den Klimawandel befassten.
Blickt man zurück auf die Versuche des letzten Jahrhunderts, die Wirtschaftslehre unter Berücksichtigung der Thermodynamik zu revidieren, fällt einem vor allem auf, wie sehr diese Disziplin bislang jedem Versuch widerstand, die wissenschaftliche Basis ihrer Leitprinzipen zu überdenken. Selbst in jüngster Zeit, wo sich wirtschaftswissenschaftliche Seminare rund um die Welt überschlagen, Betrachtungen zu Ökologie und Nachhaltigkeit in die Lehrpläne aufgenommen sowie energiebezogene Probleme einschließlich des Klimawandels ihrer Bedeutung entsprechend thematisiert werden, geht man das unter den Auspizien der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie an. Und deren Leitlinien stehen im Widerspruch zu den Gesetzen der Thermodynamik.
Solange sich die Wirtschaftslehre nicht vollends aus dem langen Schatten Newtons befreit, ist es unwahrscheinlich, dass sie als Disziplin den wachsenden Rissen, die ihre fundamentalsten Annahmen gefährden, Rechnung trägt. Der emeritierte Wirtschaftshistoriker Ray Canterbery von der Florida State University hat einmal bemerkt, dass man zunehmend verzagen möchte, sich mit Adam Smith und seinesgleichen anzulegen, da sie unter dem Schutz des großen Sir Isaac Newton stehen. »Von Zeit zu Zeit«, schreibt er, »hält ein Fähnlein Ökonomen die konventionelle Wirtschaftslehre reif für eine Palastrevolte, aber ein ökonomischer Revolutionär hätte nicht nur gegen Adam Smith und seine lange Linie von Gefolgsleuten anzugehen, sondern auch gegen das Genie |216| von Isaac Newton.« 5 Heute drohen zum ersten Mal die vielen Risse im theoretischen Unterbau der Disziplin das Gebäude der klassischen Wirtschaftslehre zum Einsturz zu bringen.
Der Wohlstand der Nationen
Die Verwerfungslinie, die sich durch die ganze klassische Wirtschaftstheorie zieht, ist das fundamentale Missverständnis um das Wesen des Wohlstands der Nationen. Für John Locke, den englischen Philosophen der Aufklärung, verstand es sich von selbst, dass man »ganz der Natur überlassenes Land, das weder durch Viehzucht noch durch Ackerbau oder Bepflanzung veredelt ist, seinem wirklichen Zustand entsprechend als Ödland bezeichnet«. 6 Er stellte – ohne ihn natürlich kennen zu können – den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf den Kopf mit der Behauptung, die Natur an sich sei nutzlos und erhalte nur dann Wert, wenn der Mensch Arbeit investiere, um sie in ein produktives Wirtschaftsgut zu verwandeln. Locke schrieb,
»dass jeder, der sich durch seine Arbeit Land aneignet, das gemeinsame Gut der Menschheit nicht vermindert, sondern vermehrt. Denn die zum Unterhalt des menschlichen Lebens geernteten Vorräte sind … zehnmal mehr als der Ertrag eines ebenso reichen Stück Landes, das als Gemeingut brachliegt. Man kann deshalb wirklich sagen, dass er der Menschheit neunzig Morgen Land zum Geschenk gibt, wenn jemand Land eingrenzt und von zehn Morgen einen größeren Vorrat an Lebensmitteln erntet, als er von hundert der Natur
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