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Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller

Titel: Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Mauer in Form einer mit Gestrüpp bewachsenen Klippe, der alles in allem etwa vierhundert Meter weit geradewegs in die Tiefe führte. Dort unten sah ich einen glitzernden See, der im Licht der untergehenden Sonne aufleuchtete und derzeit bis auf ein einziges Segelboot leer war. Etliche Kilometer entfernt lagen kantige rote Berge, von hinten beleuchtet von einer Sonne, die nun so kurz davor war, am Horizont zu verschwinden, dass ich in der Lage war, den fernen, geschwollenen Kreis anzustarren, ohne das Gefühl zu haben, blinzeln zu müssen.
    Ein Vogel flog vorüber. Er war anders als alle Kreaturen, die ich bisher gesehen hatte, ein scharlachrotes, flammendes Etwas mit einem Gesicht wie ein Dolch und einer Haube, die an einen Papierfächer erinnerte und beinahe bis zu den leuchtenden Schwanzfedern reichte, die in einer blauen Spitze endeten. Er stürzte ein Stück weit herab, blinzelte mich aus klaren, intelligenten Augen an, ehe er mich mit dem Vogeläquivalent eines Schulterzuckens bedachte und mit trotzigem Krächzen spiralförmig davonflog.
    Gerade als ich anfing, darüber nachzudenken, wie und wo ich hinunterklettern könnte, sagte eine vertraute Stimme hinter mir: »Das ist ein Dekarsi, eine importierte Spezies von den Tchi und einer meiner Lieblinge. Sie sind so intelligent wie ein fünfjähriges menschliches Kind.«
    Ich wirbelte um die eigene Achse.
    Es war Jelaine Bettelhine, bekleidet mit Reithosen, Stiefeln und einer engen Lederweste über einem karierten Hemd. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und sah windzerzaust aus. Auf ihrer hellen Haut hatten sich im Sonnenschein Sommersprossen gebildet. Sie strahlte mich lächelnd an.
    Ich schlug ihr mit der Faust auf den Mund.
    Ich weiß nicht, ob sie mich hätte aufhalten können. Vermutlich. Meine Erfahrungen mit meinem eigenen verbundenen Paar hatten mich längst gelehrt, dass diese Manipulation mit einer übermenschlichen Reaktionsfähigkeit verknüpft war. Weder Oscin noch Skye hätte ich je mit solch einem Angriff überraschend erwischen können. Aber Jelaine ließ zu, dass mein Schlag traf und sie zu Boden warf. Sie lag da, blinzelte mich an, und der Schmerz tat nichts dazu, die verfluchte Zuneigung aus ihren Augen zu vertreiben. »Warum haben Sie das getan, Andrea? Nur, um herauszufinden, ob Sie es noch können?«
    Ich rieb mir die Hand. »So was in der Art.«
    »Ich dachte, Sie könnten eine Bestätigung gebrauchen, darum habe ich es zugelassen. Keine Sorge. Ihr Geist gehört immer noch Ihnen und wird Ihnen auch in Zukunft gehören. Wir kämen nicht im Traum darauf, Sie so weit herzuholen, Ihnen so viel Unbill zu bereiten, nur um dann ein so fein eingestelltes Instrument mutwillig zu beschädigen.« Sie wischte sich das Blut mit dem Handrücken von den Lippen. »Darf ich aufstehen?«
    Ich sagte nicht ja. »Wo bin ich?«
    Jelaine setzte sich auf und schüttelte in einer beinahe drolligen Reaktion auf meinen Hieb den Kopf. »In einer der kleineren Gästesuiten auf meinem Privatanwesen im Nordosten von Asgard. Das ist der schönere Kontinent, der, der für den Inneren Kreis der Familie und dessen Bedienstete reserviert ist. Wir haben Sie unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen hierhergebracht, als Sie für reisefähig befunden wurden.«
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Auf Xana? Ungefähr eine Woche. Hier? Etwa drei Tage. Ihr Körper heilt schnell. Oh, Andrea, ich weiß, Ihr Besuch war bisher nicht gerade ein Vergnügen, aber das ist albern. Darf ich bitte aufstehen, damit wir auf Augenhöhe miteinander sprechen können?«
    Ihre süße Ehrerbietung, die einen scharfen Kontrast zu der Macht bildete, die sie tatsächlich über mich hatte, schwand. Ich hätte sie am liebsten getreten. Aber ich fand keinen Grund, es zu tun, und eine Vielzahl an wichtigen Gründen, es nicht zu tun. Also nickte ich.
    Sie erhob sich, strich mit einer Hand ihr Haar zurecht und deutete auf den Steintisch.
    Wir setzten uns und blickten einander über den Fries geflügelter Schlangen an, die in Massen über eine Landschaft mit schneebedeckten Berggipfeln hinwegflogen. Die steinerne Bank fühlte sich durch die Pyjamahose kalt an, ein sinnlicher Kontrast zu der angenehmen Wärme der sanften Brise. Ich bin nicht gern unter freiem Himmel, und doch empfand ich diesen als belebend auf eine Weise, die ich sogleich dem Sauerstoffanteil zuschrieb, der hier höher war als in der üblichen Luftmischung an Orten wie New London.
    »Ich weiß, das ist schwer«, sagte sie.

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