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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stripteaseschuppen, wo sich zeigte, daß Lepkin schon so vom Westen frustriert war, daß er gelangweilt gähnte und sagte: »Was ist das schon? Nackter Hintern und nackte Brüste? Bei uns in Rußland wäre das unmöglich, gewiß – aber glauben Sie nicht, Holden, daß wir deshalb in Gegenwart von Weibern nur fromme Lieder singen. Bei uns spielt sich die Erotik hinter den Gardinen ab. Wir brauchen keine Stimulanzien, um auf Trab zu kommen. Wir stellen unsere Huren auch nicht in Schaufenstern aus, wie in Hamburg. Was weiß man über die russische Prostitution? Kaum etwas. Dabei gibt es bei uns mindestens soviel Huren wie bei euch. Nur die Marktlage ist anders. Da sich alles bei uns in einem arbeitspolitischen Planungsprozeß befindet, sind die Huren die einzige große Gruppe mit privatwirtschaftlicher Initiative.« Lepkin trank sein Glas leer und blickte angewidert auf die nahe, kleine Bühne, wo eine langmähnige Blondine, die im Programm als ›Löwin vom Libanon‹ angekündigt war, ihre steilen Brüste streichelte und dabei in ein Mikrophon seufzte. »Gehen wir? Mir liegt dieser Bossolo im Magen wie ein unverdaubarer Kloß aus Stein.«
    Später saßen sie in einem kleinen Restaurant, aßen Weißwürste und tranken dazu Genever, freuten sich über das Wiedersehen und bedauerten, daß sie irgendwann einmal wieder als Gegner aufeinandertreffen würden, weil es die Politik so wollte und weil man sie dafür bezahlte.
    »Hören Sie auf, Lepkin«, sagte Holden. »Kommen Sie zu mir. Ich kaufe mir vielleicht nächstes Jahr in Texas eine Ranch. Ob Sie's glauben oder nicht: Ich habe mich bis über beide Ohren verliebt. Blöd, so etwas, aber nicht wegzuschaffen. Man kann nun mal nicht dagegen an, da hört die eingedrillte Selbstverleugnung einfach auf. Ich will heiraten.«
    Lepkin lächelte still. »Kommen Sie zu mir«, sagte er im gleichen Ton. »Ich habe eine Datscha am Asowschen Meer. Ein herrliches Häuschen, direkt am Ufer, mit einem Kahn und Netzen. Wir könnten hinausrudern und Störe fangen, in der Sonne liegen, den weiten Himmel genießen und glücklich sein, daß wir leben. Heiraten werde ich nicht … aber Sie können Ihre Frau selbstverständlich mitbringen. Es ist da Platz für drei.«
    »Nach Rußland? Ich?«
    Lepkin hob die Hände. »Nach Amerika? Ich?«
    Sie sahen sich an und lachten dann wie zwei Jungen, die ein Fenster eingeworfen haben und unerkannt entwischt sind.
    »Es wird wohl immer so bleiben, Lepkin: Wir treffen uns immer wieder. Irgendwo.«
    »Ihre Farm in Texas?«
    »Bleibt in der Planung. Sie finden dort immer eine offene Tür. Politik ist ein Scheißspiel, finden Sie nicht auch? Wenn der Mensch sich angewöhnen könnte, nur Mensch zu sein, gäbe es keine Probleme.«
    »Was aber wäre ein Mensch ohne Probleme? Ein Vakuum!« sagte Lepkin.
    »Uns hat nicht Gott, sondern der Teufel geschaffen, Lepkin.«
    »Der Gedanke ist mir auch angenehmer. Als Abbild Gottes zu gelten, ist eine langweilige Angelegenheit. Immer nur gütig sein macht müde.«
    Sie blieben bis gegen 11 Uhr nachts zusammen, dann brachte Holden Lepkin mit einem Taxi ins Holiday Inn zurück. Vor der Tür hielt Lepkin ihn an der Hand fest.
    »Holden, ehrlich: Sie haben Bossolo nicht geklaut?«
    »Nein, Sie ungläubiger Sibirier. Ehrenwort. Ich suche ihn auch. Wir haben gemeinsam einen Schnelleren als Gegner.«
    »Dann streichen wir Bossolo.« Lepkin wischte sich über die Augen. »Er dürfte nach logischen Erwägungen nicht mehr leben …«
    Vom Holiday Inn fuhr Holden hinaus nach Harlaching. Helga war noch auf; sie saß vor dem Fernseher und sah sich einen Film über gotische Kirchenbauten an.
    »Interessiert dich das?« fragte Holden und setzte sich neben sie.
    »Nein. Aber es lenkt ab. Gotik hat etwas Erhabenes. Die Alltäglichkeit um uns ist schmutzig. Hast du etwas Neues über Hans erfahren?«
    »Nein.« Holden kramte seine Zigaretten hervor. Lügen gehörten zu seinem Handwerk, aber bei Helga hatte er das Gefühl, dumm und durchsichtig zu lügen. Bei vorsichtigen Nachfragen hatte er erfahren, daß Hans Bergmann nicht mehr im Zellentrakt des Polizeipräsidiums saß. Wohin man ihn verlegt hatte, war nicht herauszubekommen. Beutels direkt zu fragen war sinnlos. Immerhin bewunderte Holden den Mut, mit dem Beutels zu solch unorthodoxen Maßnahmen griff. Wer die deutschen Gesetze kannte, mußte Beutels als eine Art Seiltänzer ansehen, der auf einem Seil balancierte, das überhaupt nicht vorhanden war. Holden war gespannt, wie das Spiel

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