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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weitergehen würde. Helga würde keine Ruhe geben, jeden Tag rief sie im Präsidium an. Auch Bergmanns Chefredakteur witterte eine Chance. So unbedeutend der vorhandene Bergmann in der Masse der Reporter gewesen war, um so wertvoller wurde er von Tag zu Tag, seitdem er spurlos verschwunden war.
    »Der Polizei reißen wir den Arsch auf!« tönte der Chefredakteur bei seinem letzten Telefongespräch mit Helga. »Ich habe meine besten Spürhunde eingesetzt. Nächste Woche erscheint die erste Folge einer Serie über Hans: ›Der Mann, der sich in Luft auflöste.‹ Gut, was? Das haut einen nackten Neger von der Mami! Sie sollen sehen, Helgalein, wie die Brüder in der Ettstraße munter werden. Radfahrer ohne Rücklicht oder Klingel aufschreiben, das können sie, aber wenn's mal einen großen Fisch zu angeln gibt, pissen sie ins Wasser und machen es trüb. Was ist denn schon getan worden? Absuchen des Ufers vom Starnberger See. Als ob ein Verschwundener Visitenkarten hinterließe. Und dann? Pusteblume! Keine Verhöre der Anlieger, kein Aufruf an die Bevölkerung. Weder Rundfunk noch Fernsehen und schon gar nicht die Presse haben ein Foto von Hans bekommen. Das holen wir jetzt alles nach! Wir werden trommeln, daß denen in der Ettstraße der Steiß juckt. Daß jemand mitten unter uns zu Luft wird, gibt's einfach nicht. Der Verlag hat sogar eine Prämie von 10.000 Mark ausgespuckt. Was sagen Sie nun? Das ist Hans uns wert.«
    Helga sagte nichts. Vor zwei Wochen war Hans Bergmann nicht mal zwei Spalten eigener Reportage wert. Aber vielleicht muß das so sein in diesem rätselhaften Leben, daß nur abnorme Dinge anerkannt werden … wer als Maler noch keinen Rubens gefälscht hat, ist nicht ›in‹, und wer als Autor noch nie im Knast gesessen oder ein Verfahren wegen Homosexualität hinter sich hat, hat wenig Chancen, einen Bestseller zu schreiben. Wer will schon das Normale? Die Mißgeburt reizt. Das Monster wird gesellschaftsfähig. Nicht der Tote ist interessant, sondern der Mörder. Es ist eine masochistische Perversion in unserem modernen Denken.
    Holden legte sich auf die Couch und zog Helga zu sich. Sie gab seiner Zärtlichkeit nach und kroch neben ihn, halb über ihm liegend, eine pulsierende Wärme, die sich in seine Lenden übertrug. Im Fernsehen erklärte eine sehr akademische Stimme die Bögen gotischer Fensteranlagen.
    »Du riechst nach Schnaps!« sagte Helga und rümpfte die Nase.
    »Genever.«
    »Wo warst du?«
    »Ich habe mich mit Stepan Mironowitsch Lepkin getroffen.«
    »Einem Russen?« Sie öffnete sein Hemd und ließ ihre Hand über seine behaarte Brust gleiten. »Was machst du eigentlich im alten Germany, Ric? Ich habe dich nie danach gefragt, das fällt mir jetzt ein. Ich bin ein neugieriges Mädchen. Darfst du mir's sagen?«
    »Nein.«
    »Der Russe ist dein Partner?«
    »Mein Gegner.«
    »Und mit Gegnern trinkt man bis spät in die Nacht Genever?«
    »In der Politik ist alles möglich. Wäre es dir lieber, wir brächten uns gegenseitig um?«
    »Um Gottes willen, nein!« Ihre Hand begann zu zittern. Er spürte es mit einem gewissen Glücksgefühl. »Ist er ein böser Russe?«
    »Ein Gentleman. Ihr Deutschen mit eurem schiefen Rußlandbild. Lepkin wäre auf einem Bankett die eleganteste Gestalt. Er spricht sieben Sprachen, ist der geborene Frackträger, seine Konversation könnte einen Franzosen beschämen. Ebensogut aber schießt er auch aus der Hosentasche. Er ist, genau betrachtet, mein einziger Freund. Wir hätten beide mindestens neunmal die Chance gehabt, einander umzubringen – mal er mich, mal ich ihn … wir haben uns immer geeinigt, sobald uns klar war, wer einem gegenüber lag.«
    »Ich hasse diesen Beruf, Ric. Ich hasse ihn! Warum bist du nicht Fotograf oder Gemüsehändler oder Buchhalter in einer Elektrofirma oder sonst was?« Ihre großen Augen, aus denen die Kälte weggeschwemmt war seit jener Nacht und jenem Morgen im roten Schein des Sonnenaufgangs, sahen ihn mit einem Anflug von Angst an. »Wann fliegst du zurück nach Washington?«
    »Wieso?«
    »Du hast mit diesem Lepkin getrunken, also seid ihr euch einig. Deine Aufgabe ist beendet. Das ist Logik.«
    »Was mich nach Deutschland getrieben hat, stellt alles auf den Kopf. Auch die Logik. Lepkin und ich arbeiten jetzt zusammen.« Er legte den Arm um ihren Nacken und streichelte ihre Haare. »Wie lange kennen wir uns?«
    »Drei Tage und eine Nacht. Die zweite hat gerade begonnen.« Sie versuchte zu lächeln. »Soll ich mich schämen,

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