Die Drohung
erwartet. Ein Mann wie du fällt nicht der Liebe zum Opfer. Schon gar nicht in Old Germany.« Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und trank einen langen Schluck. Holden sah, daß sie ihn nötig hatte. Sie war nicht so stark, wie sie ihm vorzumachen versuchte. »Stimmt es, daß es für Männer des CIA nie ein Zurück gibt? Daß sie immer Agenten bleiben? Geheimnisträger? Bis zum Lebensende gefangen durch ihr Zuviel an Wissen?«
»Blödsinn! Das steht in Romanen. Wir sind Menschen wie alle anderen. Wir haben einen normalen Job. Der eine verkauft Bananen von der Karre, der andere sucht Geheimnisse. Was ist schon dabei?«
»Der Bananenverkäufer wird älter.«
»Hast du Angst?«
»Ja. Fürchterliche Angst. Wenn ich allein bin, beiße ich mir in die Faust, um nicht zu schreien. Mein Gott, bete ich dann, mein lieber, lieber Gott, laß Ric länger leben als mich. Ich kann nicht auf einer Welt bleiben, die ihn verloren hat. Das ist Egoismus, ich weiß – aber was soll für mich diese Welt ohne ihn wert sein? – Das ist etwas Ungeheuerliches.«
»Was?«
»Daß ich mit Gott rede.«
»Wieso?«
»Weil ich nicht an Gott glaube. Aber ich werde ruhiger, wenn ich mit ihm geredet habe. Das ist das Merkwürdigste dabei. Es gibt ihn nicht, aber er beruhigt mich.« Sie reichte ihm das Glas. »Trink!«
Er trank gehorsam das Glas leer und stellte es zurück auf den Nachttisch.
»Ich habe Berringer angedroht, ihn zu verprügeln, wenn er mir Schwierigkeiten macht. Das hat ihn nicht beeindruckt – was beeindruckt Berringer überhaupt, außer die rohen Klöße, die seine Frau kocht und von denen er schwärmt wie von Jungmädchenbrüsten –, aber er ist soweit gekommen, um zu sagen: ›Darüber sprechen wir noch, Holden.‹ Und wie wir darüber sprechen werden. Du wirst dabei sein, Helga. Wir suchen uns eine Ecke in der Halle des Holiday Inn, wo er uns nicht mehr entwischen kann und wo er auch leise sein muß, und dann bearbeiten wir ihn, bis ihm die Puste wegbleibt. Er wird natürlich Lieder singen von Vaterland und Ehre, Verpflichtung nationaler Aufgabe … aber das alles ist nur Getöse. Im Grunde denkt Berringer wie ich. Hätte er sonst Frau, Kinder und ein Haus, spielte er sonst Golf und angelte Lachse? Darling, ich freue mich auf Texas.«
»Berringer kommt nach München?«
»Ja. Am 24. Juli ist er hier. Das steht fest.«
»Ich habe Angst, Ric.«
»Vor Berringer? Wenn du ihn siehst, wirst du dich selbst auslachen wegen deiner Angst. Er ist ein kleines, höfliches, etwas linkisches Männchen. Niemand traut ihm zu, daß er aus der Tasche genau zwischen die Augen schießen kann. Sein Gehirn ist irgendwie elektronisch aufgeladen. Aber zu fürchten brauchst du ihn nicht.«
»Wenn Berringer nach München kommt, muß etwas Großes geschehen.«
»Allerdings.«
»Was, Ric? Sag es mir …«
» Top secret , Mädchen.«
»Natürlich! Nur dein Tod wird völlig normal sein, nicht wahr?«
»Warum sollte ich sterben?«
»Ihr wollt gegen den Russen was unternehmen, lüg nicht?«
»Gegen Lepkin? O nein!« Holden lachte. Er küßte Helga zwischen die Brüste und warf mit beiden Händen ihre Haare hoch. Sie regneten zurück wie Seidenfäden. »Stepan Mironowitsch wird uns helfen. Es ist kaum zu glauben – aber in diesem Fall sind Ost und West wie siamesische Zwillinge. Unlösbar miteinander verwachsen. Überhaupt alle Menschen. Wenn Schiller das erlebt hätte. Sein großer Traum wird für kurze Zeit Realität: Alle Menschen werden Brüder … Nur einen Fehler hat das Ganze: Nicht die Liebe treibt sie zueinander, sondern die Angst. Die nackte Angst! Die moderne Form der Vereinigung. Vielleicht die einzig mögliche. Man kann die Menschen nicht mit Liebe zur Vernunft bringen, sondern nur mit der Angst. Das hat niemand bedacht und durch diese Denkfehler sind Jahrhunderte vertan worden. Das ist auch die immer deutlicher werdende Pleite des Christentums: Liebet eure Feinde! Welch ein Blödsinn! Ängstigt eure Feinde … und sie werden Freunde. Das totale Ende durch das Atom wird einmal die totale Liebe der Menschen zueinander schaffen. Die Ausweglosigkeit schafft Klasseneinheit. So werden eigentlich alle Ideologien erfüllt – von ganz rechts bis ganz links. Das Wissen um den gemeinsamen Untergang ist die große Liebe.«
»Nicht bei uns. Ich liebe dich immer.«
»Du hast dich auf diese Erde auch nur verirrt. Habe ich nicht gesagt: Du bist ein Wunder?«
»Du kannst es anfassen, Ric.«
»Es gehört sogar mir. Mir allein.«
»Nur dir
Weitere Kostenlose Bücher