Die Drohung
Mironowitsch.«
»Ric Holden ist aktiv, zu aktiv, nach meinem Geschmack. Der Franzose Mostelle geht die Sache wissenschaftlich an … er kümmert sich mehr um die Bomben als um den Bombenleger. Sein Plan ist es, einen elektronischen Schutzmantel um das Stadion zu legen, gewissermaßen ein Strahlenkleid, das alle anderen Impulse von außen abschirmt und damit eine Fernzündung der Bomben unmöglich macht. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber in Frankreich scheint man viel für diesen Plan zu empfinden. Deutsche Physiker haben am Wörthsee mit einer Erprobung dieses Strahlenmantels begonnen.«
»Das ist eine gute Nachricht.« Abetjew schien zufrieden, er schnaufte tief. »Und Ihre Meinung, Stepan Mironowitsch?«
»Ich halte nichts davon, Genosse Oberst. Zu spekulativ. Ein zu großer Unsicherheitsfaktor. Ich möchte die Männer am Impulsgeber selbst haben.«
»Aber wie, Lepkin, wie? Indem Sie in Ihrem Hotel Cognac saufen und hübschen Mädchen in die Bluse fassen?«
»Ich habe eine eigene Idee, Afanasij Alexandrowitsch.« Lepkin zündete sich eine ägyptische Zigarette an. Er bevorzugte diese Marke, sie war leicht und würzig. Der etwas süßliche Duft im Rauch paßte zu seinem französischen Parfüm. Abetjew verzog immer den Mund, als habe er Essig getrunken, wenn Lepkin diese Zigaretten auspackte. »Ab 28. Juli findet die Geldübergabe statt. Immer eine Million pro Nacht. Von der neunten Million an werden Leute von uns das Geld in Empfang nehmen. Wir sind ja über die Zahlstellen von der deutschen Polizei informiert.« Lepkin blies einen tiefen Zug gegen die Telefonmuschel. Er war zufrieden mit seiner Idee, sie schien ihm die einzige massive Waffe gegen die Unbekannten zu sein. Wie für Holden war es auch für ihn sicher, daß vom Tag der Zahlung an nicht mehr nur die kleinen Helfer in München wirkten, sondern daß auch der Kopf des Unternehmens selbst zur Stelle war. Wo man es Geld regnen läßt, will man selbst unter den goldenen Tropfen stehen. »Hören Sie noch, Genosse Oberst?«
»Natürlich, Stepan Mironowitsch. Bis jetzt sehe ich keinen Sinn in Ihrem Vorschlag.«
»Also – statt des Unbekannten nehmen unsere Leute die zehnte, elfte, zwölfte und dreizehnte Million in Empfang. Die deutsche Polizei weiß das natürlich nicht … sie glaubt an eine normale Übergabe. Sie kann das sogar beweisen, denn alle Befehle der Unbekannten werden peinlich genau erfüllt. Aber die Millionen sind weg … ein Dritter spielt plötzlich mit. Was glauben Sie, Afanasij Alexandrowitsch, was dann geschieht?«
»Unser Gegner wird toben!«
»Und weiter?«
»Er wird den ungebetenen Mitkassierer unschädlich machen wollen.«
»Das ist so logisch, wie der linke Daumen rechts an der Hand sitzt. Jede Erregung aber gebiert Unvorsichtigkeiten. Der Gegner muß aus dem Dunkel heraus, er muß kämpfen, um das Wertvollste kämpfen, was er kennt: sein Geld. Er kann niemanden verantwortlich machen und niemandem mehr drohen – die Deutschen erfüllen ja ihre Pflicht. Er muß den Mitkassierer von sich aus unschädlich machen. Das ist meine große Chance … wir werden dem Gegner in offener Schlacht gegenüberstehen! Spätestens bei der vierzehnten verlorenen Million verliert er die Nerven. Dann kenne ich ihn.«
Lepkin streckte die Beine von sich. Iwan Prokojewitsch Smelnowski bestaunte ihn wie ein Wundertier. Auch Abetjew schien überrascht zu sein – er schwieg eine Weile, schien scharf zu denken.
»Und wenn es mißlingt?« fragte er dann.
Lepkin nickte. Das habe ich erwartet, dachte er. Für Abetjew ist nichts vollkommen. Er würde nie sagen: »Sehr gut, Genosse. Ihre Idee ist durchführbar.« Was man auch vorträgt, immer zieht er ein Haar aus der Suppe, und wenn er es vorher selbst hineinzaubern müßte. Das Gefühl, unvollkommen zu sein, ist die beste Leine, an der man einen Menschen herumführen kann wie einen Tanzbär.
»Haben Sie Vertrauen zu mir, Afanasij Alexandrowitsch?« fragte Lepkin geradezu. Smelnowski staunte mit offenem Mund, wie Lepkin mit Moskau sprechen durfte. Abetjew schien ähnliche Gefühle zu haben, denn er sagte mißmutig:
»Das ist keine Vertrauenssache, Lepkin. Das ist ein verfluchtes Vabanquespiel.«
»Habe ich Sie jemals enttäuscht, Abetjew?«
»Erwarten Sie, daß ich Ihnen jetzt die Finger küsse, Stepan Mironowitsch?«
Lepkin war klar, daß Abetjew auf diese rein rhetorische Frage keine Antwort erwartete. Er sagte deshalb:
»Das Wichtigste, Genosse Oberst, ist die Geduld. Und die haben
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