Die Drohung
und ein Detektivpatent. Geschossen habe ich noch nie, aber ich nehme an, daß man in der Verlängerung von Kimme und Korn treffen muß. Ist's so?«
Holden lachte, aber es klang etwas gepreßt. Dulcan war näher gekommen, aber noch nicht zu erkennen. Er ruderte wieder mit fast sportlichem Ehrgeiz. Sein Plan war klar … über den See und weiter in die Berge. Und er dachte völlig logisch: Wasser verwischt Spuren. An alles wird man denken, nur nicht daran, daß ein Gehetzter gemütlich auf einem See in einem Kahn rudert.
»Viel Glück!« sagte Pinipopoulos mit plötzlich trockener Kehle. Er begleitete Holden bis ans Wasser. »Ich möchte einmal in meinem Leben mutig sein … nur, um zu wissen, wie es ist, ein Idiot zu sein! Denn was Sie da vorhaben, ist Idiotie.«
»Ich stimme Ihnen zu, Pini. Aber Sie werden mich verstehen, wenn ich Ihnen verrate, daß wir gegen Idioten kämpfen.«
Er glitt in den See, tauchte sofort weg und schwamm in langen Zügen eine Strecke unter Wasser, bis er auftauchte und sich umsah. Dulcan ruderte wie eine Maschine, er konnte Holdens Kopf nicht sehen, denn er saß ja mit dem Rücken gegen das ersehnte Ufer. Pinipopoulos hatte sich vom Strand entfernt und lag bäuchlings im Gras, die Pistole neben sich. Daß er noch nie geschossen hatte, stimmte nicht … jede Woche übte er zweimal, schoß winzige Punkte aus Papierscheiben heraus und bat seinen Gott bei jedem Schuß darum, daß der Ernstfall nie eintreten möge.
Holden befand sich vielleicht in der Mitte zwischen Ufer und Boot, als ein dritter Wagen auf der Straße hielt. Pinipopoulos machte sich ganz flach, wie eine Schildkröte, die im hohen Gras verschwinden will.
»Man könnte trübsinnig werden!« sagte Stepan Mironowitsch Lepkin und kam langsam die abfallende Wiese herunter. »Man kann nicht an alles denken! An eine Badehose habe ich nicht gedacht.« Er legte seine Nagan auf die Erde, und Pinipopoulos bestaunte das mächtige, schwarze Ding, das er sich in der gepflegten Hand des Russen gar nicht vorstellen konnte. »Wer ist das? Cortone oder Dulcan?«
»Dulcan. Wer hat Sie hierher geschickt?«
»Das ist eine umständliche Geschichte«, sagte Lepkin. »Sie fängt damit an, daß wir Freunde sind, während wir eigentlich Feinde sein sollten. Und dann ist da noch ein Ehrgeiz wie bei einem Stabhochspringer, der den anderen um einen Zentimeter übertreffen will.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wer kann das verstehen?« Lepkin legte die Hand über die Augen und blickte über den See. »Was will Holden?«
»Ich soll weggucken, sagt er.«
»Man muß auf ihn aufpassen wie auf einen jungen Hund. Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Genosse?«
Pinipopoulos war zu überrascht, um zu reagieren. Lepkin zog sich blitzschnell aus. Er war der erste nackte Russe, den Pini sah. Darum nickte er nur.
»Passen Sie auf meine Kleider auf.« Dann ging er zum See und watete ins Wasser, die Nagan in der Hand.
»Die wird doch naß!« rief Pinipopoulos und streckte die Hand aus. »Geben Sie sie mir. Sie versagt doch …«
»Eine Nagan versagt nie!« erwiderte Lepkin stolz und tauchte mit der Geschmeidigkeit einer Robbe unter.
Nur noch sieben Meter war Holden von Dulcans Boot entfernt.
Im Boot
Dulcan zuckte zusammen, als sich neben ihm an der Bordwand zwei Hände festkrallten und ein Kopf auftauchte. Das Gesicht grinste ihn an, freundlich, ja geradezu vertraulich, und Dulcan, der nach dem ersten Schreck zunächst versucht war, mit dem Ruder zuzuschlagen, stellte seine sportliche Leistung ein und legte die Riemen längs. In hartem Deutsch fragte er:
»Wie gätts? Schwimmän schönn?! Zu weit in See, was? Müde?«
Holden nickte stumm, zog sich mit einem Ruck hoch und fiel ins Boot. Aber mit der Gewandtheit einer Katze stand er gleich darauf vor Dulcan, und als dieser den Gürtel mit dem Messer erkannte, war es schon zu spät. Ein Hieb zwischen die Augen warf ihn von der Ruderbank. Es krachte dumpf, als sein Kopf gegen die Bordwand schlug.
»Guten Tag, Dulcan!« sagte Holden völlig ruhig. »Jetzt, nachdem wir uns miteinander bekannt gemacht haben, wollen wir uns über alles unterhalten. Stehen Sie auf.«
»Sie verwechseln mich, Sir!« Dulcan richtete sich auf. Er versuchte dabei, mit der Hand in die Nähe seiner linken Achselhöhle zu kommen, aber ein Tritt Holdens gegen seinen Arm ließ ihn aufstöhnen und wieder zusammensinken. Holden beugte sich vor, nahm Dulcan den Revolver weg und warf ihn ins Wasser. »Wo ist Cortone?« fragte er
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