Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Sie erinnerte sich nur deshalb daran, weil der Text so kurz war und sie gefragt hatte: »Is dös alles?« Und der Kunde hatte geantwortet: »Ja, das genügt. Ist so abgesprochen.«
    »Ah so, a Codewort, was? Is a nettes Mannsbild?«
    Eine freundschaftliche, fast vertraute Unterhaltung von ein paar Sekunden. Über die Theke hinweg, mit einem wissenden Augenblinzeln. Machen's halt spannend, die Liebe, die jungen Leut'.
    Beutels raste sofort in die Sendlinger Straße, ließ die verstörte Angestellte ins Büro des Anzeigenleiters bringen und steckte sich eine Brissago-Zigarre an. »'nen Kognak«, sagte er, als er ihr Gesicht sah. Er reichte ihr das Glas und nickte ihr freundlich zu. »Ich weiß, Sie haben keinen umgebracht, sie haben niemanden betrogen, die Kasse stimmt, 'ne Abtreibung interessiert mich nicht, Sex auf der Bude ist Ihre Sache, Sie sind über 15 –«
    »24 –«
    »Na also – wenn Sie 'nen verheirateten Mann lieben, Ihr Bier – … mir geht es nur darum, daß Sie sich jetzt ganz genau erinnern: Wer hat die Anzeige ›Wir danken dem ehrlichen Finder‹ aufgegeben?«
    »Ich habe es schon dem anderen Kommissar gesagt, Herr Kommissar.«
    »Wiederholen Sie es.«
    »Ein Mädchen.«
    Beutels ließ sich gegen die Lehne des Stuhles fallen. »Das ist doch zum Hundelecken! Irren Sie sich da nicht? Ein Mädchen?«
    »Ja.«
    »Wie alt?«
    »Ungefähr wie ich. Vielleicht jünger – nein, ich glaube, wie ich. So um 24 herum …«
    »Aussehen?«
    »Kleidung, meinen Sie? Darauf habe ich nicht geachtet. Aber sie hatte lange blonde Haare und eine lustige Strickmütze auf. Wissen Sie, Herr Kommissar, so eine breitmaschige, bunte Strickmütze. Eine Baskenmütze, aber gehäkelt.«
    »Genauer: gestrickt oder gehäkelt?«
    »Gehäkelt. Mit großen Löchern. Sie kennen das doch?«
    »Ich kenne viele Löcher – die nicht.« Niemand lachte. Beutels rauchte eine Brissago-Zigarre – da war ein Witz, auch wenn er von ihm stammte, gefährlich. »Was noch?«
    »Schmales Gesicht, blaue Augen, kleines Kinn, hübsch war sie. Und sie sprach süddeutsch. Ja, Herr Kommissar, ich erinnere mich genau: süddeutsch, aber doch hochdeutsch.«
    »Also hochdeutsch mit südlichem Einschlag.«
    »Wenn man das so nennt … ja.«
    »Größe?«
    »O ja. Vielleicht 4.«
    »Was heißt 4?« fragte Beutels verblüfft.
    Der Anzeigenleiter beugte sich vor. »Sie meint die BH-Größe, Herr Kriminalrat.«
    »Ach so. Erstaunlich, was Anzeigenleiter alles wissen! Ist Größe 4 imposant oder mickrig?«
    »Ich würde sagen: sehr ansprechend. Im Volksmund: so eine Handvoll.«
    »Volksmund ist immer gut.« Beutels machte sich Notizen. Brust: eine Handvoll. Haare blond, lang. Schmales, spitzkinniges Gesicht. Blaue Augen. »Figur?«
    »Schlank, natürlich.«
    »Natürlich. Dicke gehören auf'n Schlachthof. Lange Beine, was?«
    »Ich weiß nicht. Sie hatte Stiefel an, weiße Stiefel. Schnürstiefel.«
    »Herrlich, wie wir uns vorantasten. Nur weiter so, und wir malen Ihnen das Bild dieser Anzeigenkundin! Sie haben ein gutes Gedächtnis, Fräulein …«
    »Erni Zumbler.«
    »Fräulein Zumbler. Jetzt Größe. Nicht BH oder Schuhe oder Hände oder Kniekehlen … von oben bis unten.«
    »Vielleicht 1,75 Meter.«
    »Hallo! Ein großes Mädchen. Das ist ein Hinweis zum Vergolden!« Beutels drehte die lange Brissago zwischen den Fingern. »Die Menschen werden immer länger. In zwei Millionen Jahren werden sie die Größe von Sauriern haben. Stellen Sie sich vor, Fräulein Zumbler – ein Mensch so hoch wie das Sendlinger Tor! Toll, was?«
    Fräulein Zumbler von der Anzeigenannahme sah Beutels etwas verwirrt an. Dann wanderte ihr Blick zu ihrem Abteilungsleiter. Als sie ihn grinsen sah, versuchte auch sie zu lächeln. Beutelssche Witze waren ihr noch unbekannt.
    »Sonst noch Merkmale? Sie beobachten vorzüglich.«
    »Nein.« Fräulein Zumbler schüttelte den Kopf. »Was ist denn mit dem Mädchen?«
    »Es ist höchst interessant.« Beutels machte sich einige schnelle, unlesbare Notizen auf einem kleinen Block. Im Präsidium behauptete man, Beutels habe eine eigene Stenografie entwickelt, eine Verbindung von germanisch-keltischer Runenschrift und altaztekischer Bilderschrift. Nach seiner Pensionierung würde er sicherlich die Welt damit überraschen und – man kannte Beutels ja genau – auch zwingen, diese Schrift zu übernehmen. Zuzutrauen war ihm alles. Nur ein einziger Mensch konnte diese Aufzeichnungen entziffern und in ein vernünftiges Deutsch übersetzen: die

Weitere Kostenlose Bücher