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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gipfelpunkt ihrer Entwicklung angelangt. Jetzt kann es nur noch abwärts gehen.«
    »Das ist alles?«
    »Genügt das nicht?«
    »Noch 20 Minuten«, sagte Abels, der vom Boot kam. »Die Froschmänner sind schon unterwegs. Im Tank ist soviel Benzin, daß es für einen Kilometer reicht.«
    »Viel Glück, Herr Kollege.« Beutels setzte sich auf einen Klappstuhl, wie er ihn immer zum Angeln mitnahm. Es war, als nehme er einen Logenplatz für eine interessante Vorstellung ein. Und er sagte es auch. »Lassen Sie den Vorhang hochziehen. Auf diese Komödie bin ich gespannt.«

Am Ufer
    Pietro Bossolo stammte aus dem Dorf Alvarengo in Kalabrien. Seit er denken konnte, hatten ihn Hunger und Armut umgeben. Unter neun Geschwistern wuchs er nicht anders als die halbwilden Hunde auf, die durch das Dorf und über die steinigen Felder trotteten. Bis heute lag in seinen Ohren der verzweifelte Seufzer seines Vaters: »Morgen versuche ich, aus Steinen und Staub Brot zu backen … oder ich bringe uns alle um!«
    Der alte Bossolo brachte seine Familie nicht um, aber als sich zeigte, daß der Staat keine Möglichkeit hatte, das Mittelalter aus Kalabrien zu verjagen, Industrien anzusiedeln und das Land modern zu erschließen, verjagte Bossolo seine bisherige Moral, denn elf hungrige Mäuler fragen nicht nach Ethik und Gesetz, nahm sein Jagdgewehr und wilderte in den Besitzungen der reichen Großgrundbesitzer. Von da an gab es immer Enten und Gänse im Topf, Schnepfen und zweimal im Abstand von drei Monaten einen Hund, keinen der geliebten Köter im Dorf, sondern hohe, fette Dalmatiner, gut genährt, für eine Woche ausreichend. Sie liefen im Park des Großgrundbesitzers und Likörfabrikanten Angelo Muzzo herum und hatten nacheinander das Pech, dem alten Bossolo in den Weg zu geraten. Muzzo setzte sofort 50.000 Lire Belohnung aus für jeden, der ihm seinen Hund wiederbrachte oder über seinen Verbleib Auskunft geben konnte. Nach einem Vierteljahr machte er das gleiche Angebot auch für das zweite Tier.
    Das wurde Pietros erstes Geschäft. Er trug das Fell des ersten Hundes in das schloßartige Landhaus, zeigte dem tobenden Muzzo, wo er es gefunden hatte – in einer Schlucht, weit ab natürlich von Alvarengo – und kassierte 50.000 Lire. Von Signora Muzzo, die fürchterlich weinte, als sie das abgezogene Fell sah, bekam er einen Korb voll Wurst und Brot mit.
    Fell Nr. 2 konnte Pietro nicht selbst überbringen – das wäre aufgefallen. So trug seine Schwester Rosalie den anderen Dalmatiner zu Muzzo, zeigte ebenfalls eine Fundstelle, diesmal in genau entgegengesetzter Richtung, nach Cosenza zu. Muzzo tobte, Schaum vor dem Mund, brüllte etwas von kommunistischen Anschlägen auf das Kapital, von Terror und Anarchismus, die Polizei suchte die Gegend ab als habe man einen Massenmord entdeckt, Rosalia Bossolo bekam nur 30.000 Lire und von der Signora Muzzo ein Kleidchen.
    »Da sieht man wieder die Geldsäcke!« schrie der alte Bossolo. »Was soll Rosalia mit einem Kleidchen aus Spitzen? Kann sie die Spitzen fressen?! Aber ich schwöre euch: Muzzo hat noch vier Siamkatzen, die schieße ich auch noch!«
    Andächtig hörte ihm seine Familie zu. Der Padre war schon ein ganzer Kerl!
    Pietro Bossolo, der dritte Sohn, brach aus der Familie aus. Mit 20 Jahren bekam er einen Brief von seinem Schulfreund Luigi Nabesca aus New York. Luigi hatte dort Fuß gefaßt und schrieb: »Komm rüber, Pietro. Hier gibt es wenigstens soviel zu verdienen, daß du satt wirst. Ich besorge dir eine Stellung und über meinen Chef die Einwanderungserlaubnis.«
    Dieser Chef hieß Maurizio Cortone.
    Pietro Bossolo dampfte über den großen Teich, von der Familie laut beweint. »Bleib ein guter Mensch!« rief der alte Bossolo ihm noch zur Schiffsreling hinauf. »Nimm dir ein Beispiel an deinem ehrlichen Vater.«
    Pietro nickte, weinte auch und versprach mit fuchtelnden Armen, der Familie Bossolo nur Freude zu machen.
    Sieben Jahre lang freute sich die Familie über ihren lieben, kleinen braven Pietrino. Er schickte jedes Vierteljahr 250 Dollar, die – in Lire umgewechselt – die Familie Bossolo in Alvarengo vor dem Verhungern retteten. Drei andere Söhne arbeiteten in Deutschland, der eine als Straßenbauer in Darmstadt, der zweite als Müllfahrer in Stuttgart, der dritte als Kanalarbeiter in Köln. Auch sie schickten Geld, Kanalarbeiter Alfredo kam im Urlaub sogar mit einem eigenen Volkswagen und fuhr den alten Bossolo wie in einem Triumphzug durchs Dorf.
    »Meine Familie!«

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