Die Drohung
sagte der Alte ergriffen. »Neun Kinder habe ich gemacht, alle neun sind etwas geworden! Gelobt sei Maria, die Glücksspenderin. Wir wollen ihr eine große Kerze opfern.«
Beim nächsten Fronleichnamsfest trug er ergriffen die Muttergottesstatue durch die Straßen.
Pietro war einer der sieben Männer, die Cortone als Vertrauensleute nach München schickte und als Bauarbeiter anstellen ließ. Bossolo nannte sich sogar Facharbeiter, wies ein Zeugnis als Eisenflechter vor und erhielt einen gutbezahlten Posten bei den Einschalungskolonnen.
Nur eines ärgerte ihn: Er durfte niemandem sagen, daß er in München arbeitete. Weder seiner Familie in Italien noch seinen Brüdern in Köln, Stuttgart und Darmstadt. Seine 250 Dollar wurden alle drei Monate nach wie vor von New York aus überwiesen.
»Denk an die Sicherheit«, riet ihm sein Schulfreund Luigi, der in New York, in Cortones Sportschule, blieb. Er gehörte zum Stammpersonal. »Du hast Geld, du hast Freiheit – wozu die Schnauze aufmachen?«
So arbeitete Pietro Bossolo fleißig und für gutes Geld auf der Olympiabaustelle, ahnte nichts von zwei Atombomben, die ins Fundament des Stadions eingegossen wurden, übernahm einen Abschnitt der Baustelle als Kassierer der ›Witwen- und Waisenkasse‹ und leistete sich eine deutsche Freundin, Therese, die in einer Bierschwemme in München bediente.
Dann kam der April. Ein Mann, den Bossolo nicht kannte, rief ihn in der Wohnbaracke an und bestellte ihn für 22 Uhr am nächsten Abend in den Englischen Garten. Treffpunkt: Monopteros-Tempelchen. »Eine Anordnung aus New York«, sagte der Mann.
Pietro war pünktlich zur Stelle. Es regnete, er stellte sich in den zierlichen Tempel, schlug die Arme um seinen Körper, rauchte und wartete. Als eine Stimme ertönte, schrak er zusammen und wich zurück. Es war eine Stimme, die aus einem kleinen Lautsprecher tönte, der oben an einer Säule hing, mit Draht verknotet, schnell montiert und ebenso schnell auch wieder zu entfernen.
»Hör zu«, sagte die Stimme. Sie sprach italienisch, und Pietro betrachtete das als selbstverständlich. »Es geht um einen Auftrag. Der Chef bietet dir dafür 10.000 Dollar.«
Bossolo glaubte an einen Hörfehler und steckte beide Zeigefinger in die Ohrmuschel. Dann, nach einigem Rütteln, fragte er:
»Wieviel war das, Signore? Ich habe die Zahl nicht verstanden.«
»10.000 Dollar.«
In Bossolo kroch glühende Hitze hoch. 10.000 Dollar – das war so wahnsinnig, daß eine Gegenleistung für diesen Betrag außerhalb seiner Möglichkeiten liegen mußte. Er sagte es auch sofort, denn sechs Jahre Amerika machen einen Jungen wie Pietro hart, und außerdem dachte er gerade jetzt an seinen alten Vater und dessen Abschiedsworte.
»Signore, wenn Sie das denken sollten: Ich bringe keinen um! Der Chef weiß, daß ich alles tue, aber das nicht. Auch Luigi weiß es. Keinen Menschen, Signore –«
»Hier wird niemand umgebracht«, sagte die Stimme aus dem im Regenwind hin und her pendelnden Lautsprecher an der Säule. »Du sollst aus einem Motorboot im Chiemsee einige Säcke abholen. Kannst du schwimmen?«
»Ich bin Rettungsschwimmer, Signore.«
»Sehr gut. Du holst morgen im Schließfach 1.562 im Hauptbahnhof eine Froschmannausrüstung ab. Den Schlüssel findest du an der zweiten Säule links vom Lautsprecher. Und nun hör genau zu, Pietro Bossolo.«
Die Stimme entwickelte einen genauen Plan. Mit klopfendem Herzen nahm Pietro jedes Wort in sich auf wie starken, süßen Wein. 10.000 Dollar, dachte er. Ich bin ein reicher Mann. Ich kann mir bei Alvarengo ein großes Grundstück kaufen, Brunnen bauen und den schönsten Hof in der ganzen Provinz anlegen. 10.000 Dollar. O Mutter Gottes, sag es selbst, was er bisher dafür verlangt, ist anständig, nicht wahr? Dann wurde Pietro Bossolo hellhörig, denn die Stimme sagte:
»Du wirst das Boot nicht erreichen, oder wenn du es erreichst, wird man dich umzingelt haben. Du wirst dich verhaften lassen.«
»Ich bin bisher der Polizei immer aus dem Weg gegangen, Signore …« sagte Pietro zögernd. »Selbst in New York habe ich nie …«
»Wir zahlen dir 10.000 Dollar, damit du der deutschen Polizei mitten in die Arme läufst, nein, schwimmst.« Die Stimme gluckste vor unterdrücktem Lachen. Der Mann hat Humor auf Kosten meiner Knochen, dachte Bossolo. Was soll das alles? Warum schwimme ich zu einem Boot, um mich dann in ein Gefängnis bringen zu lassen? Was ist in den Säcken? Tote? Will man für 10.000 Dollar einen
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