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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Scheinmörder kaufen?
    »Signore –« sagte Bossolo. Er fror nicht mehr, er glühte wie am Rand eines Vulkans. »Was ist in den Säcken?«
    »Geld. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist allein deine Verhaftung und die Umstände, unter denen sie stattfindet. Nach meiner Berechnung wirst du nicht länger als eine Woche in Haft bleiben.«
    »Länger nicht?«
    »Für eine Woche Zelle 10.000 Dollar. Wenn das kein Geschäft ist.«
    Bossolo hatte gelernt, mißtrauisch zu sein. Keiner schenkt einem im Leben etwas, das war eine Lehre, mit der ihn seine Familie auf die große Reise ins Glück geschickt hatte. So eine Lehre klingt abgedroschen, sollte man meinen. Es gibt bessere Aussprüche. Pietro Bossolo aber hatte von seinen Schritten auf der staubigen Erde von Alvarengo an im Leben nichts anderes entdeckt als den nackten Kampf ums Überleben. Nicht nur bei den Menschen – auch bei den streunenden, struppigen Straßenkötern, bei den Katzen, Ratten und Mäusen, bei den Vögeln und sogar beim Ungeziefer. Nur der Stärkere blieb am Leben, drängte ans Wasser, erreichte das Futter, verteidigte seinen Raub. Wer so aufwächst, hat ein Gefühl für Hintergründe entwickelt, hat den Instinkt eines Raubtiers erlernt.
    »Sie werden mich verhören«, sagte er gedehnt.
    »Sicherlich.«
    »Was soll ich sagen, Signore?«
    »Alles, was du bis jetzt gehört und gesehen hast. Nichts ist fortzulassen. Präge dir jede Einzelheit ein. Lerne die Minuten auswendig, damit du sie wiederholen kannst. Je mehr du erzählst, um so besser.«
    »Ich verstehe das nicht, Signore.«
    »Das ist auch das einzige, was von dir nicht verlangt wird. Für 10.000 Dollar darf man eine Sache nicht verstehen, sondern nur tun. Vor allem, wenn sie harmlos ist. Alles klar, Pietro?«
    »Alles, Signore.« Bossolo fuhr sich mit beiden Händen durch die krausen schwarzen Haare. Ist das eine Geschichte, Madonna! Unglaublich. »Und wie und wann bekomme ich mein Geld?«
    »Sobald du aus der Haft entlassen bist, kaufst du dir die ›Süddeutsche Zeitung‹. Es wird eine Anzeige darin stehen, unter ›Vermischtes‹. Der Text lautet: ›Die schwarze Dame gestern 17 Uhr in der U-Bahn 3 bitte melden unter …‹ Dann folgt eine Telefonnummer, die rufst du an.«
    »Aber das sage ich nicht der deutschen Polizei.«
    »Das nicht, nichts von den 10.000 Dollar und nichts von Maurizio Cortone. Dein Lebenslauf ist dir einstudiert worden in New York, den sagst du her. Es kann dir gar nichts passieren. Viel Glück, Pietro.«
    »Danke, Signore.«
    Bossolo verbeugte sich vor dem schaukelnden kleinen Lautsprecher. Dann wartete er nicht länger. Er wußte, daß Warten nichts einbrachte, nur Ärger. Er suchte an der zweiten Säule links den Schlüssel des Schließfaches; er war sauber in einen kleinen Plastikbeutel verpackt. Der Regen hatte sich verstärkt, es rauschte in den Bäumen, eine eintönige, trostlose Melodie.
    Mit schnellen Schritten, den Kragen hochgeschlagen, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, lief er weg, den breiten Weg hinunter, den Lichtern der Straßen entgegen. Auf der Königinstraße hielt er ein Taxi an, sprang hinein und schüttelte sich wie ein nasser Hund.
    »Oberwiesenfeld, bittä, Kamerad …« sagte er.
    Der Taxifahrer drehte sich um. »Fünf Mark im voraus, mei Liaba.«
    »Bittä.« Bossolo kramte ein Fünfmarkstück aus der Tasche und warf es dem Fahrer zu. »Isch ährliche Arbeiter.«
    Das Taxi fuhr an. Bossolo lehnte sich zurück und schloß erschöpft die Augen.
    10.000 Dollar für eine Verhaftung.
    Mamma mia, ich werde nie mehr arm sein …
    Bossolo holte aus dem Schließfach 1.562 des Münchner Hauptbahnhofs seine Froschmannausrüstung. Er nahm dazu einen großen Pappkoffer mit, wartete ab, bis er allein im Schließfachraum war, und verstaute alles ohne Beobachter. Bei seinem Meister auf der Baustelle nahm er eine Woche Urlaub, und weil Bossolo ein Arbeiter war, der nie gefehlt hatte, ein Muster an Pünktlichkeit und ein wirklich ausgezeichneter Eisenflechter, gewährte man ihm diesen Urlaub. Hinzu kam, daß die Bauarbeiten praktisch abgeschlossen waren und nur noch einige kleinere Fertigstellungen die Kolonnen beschäftigten. Über 2.000 Arbeiter waren schon abgezogen, die großen Baufirmen schafften ihre Maschinen und Geräte weg, das riesengroße, einmalige, nie mehr wiederkehrende Geschäft war gelaufen, neue Millionäre waren gemacht, überhöhte Rechnungen und Baukosten anerkannt worden, die Melkkuh Olympia starb langsam dahin. Neue

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