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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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langweilen. Sie sitzen beim Mittagessen gern bei unseren «Senior Partners«, die zum ehrenamtlichem Streitschlichten ausgebildet sind. Ja, man kann Schule fast ohne reguläre Arbeitskräfte betreiben! Der Vorteil dabei sind nicht nur die geringeren Kosten, nein, die Schüler werden bei ständigem Personalwechsel viel wendiger und flexibler.
    Eine der jungen Kolleginnen kommt mit einer Spendendose vorbei. Ihr Co-Tutor wird nächste Woche dreißig. Die Senioren wehren ab: »Wer sind Sie denn? – Nee, bei uns wird erst ab 50 gesammelt. Das ist ein Konferenzbeschluss!«

»Und die Lehrer schauen weg!«
Bequemer leben
    L ange habe ich meine wahren Intentionen hinter einem Minimum an Engagement und Eifer verborgen. Habe neben meinem Unterricht ein paar Förderpläne geschrieben, einen Hausbesuch durchgeführt und eine dreitägige Klassenfahrt organisiert. Aber die Presse ist mir auf die Schliche gekommen: Kern aller politischen, ökonomischen und sozialen Probleme sind die Lehrer. Bis auf wenige Leuchtturmpädagogen, die mit Prämien und Preisen belohnt werden. Aber die meisten meiner Kollegen und Kolleginnen sind laut Presse Künstler im Ignorieren und Wegschauen.
    Wozu sich also weiter verbiegen? Genau – am liebsten unterrichte ich biodeutsche Mädchen, die Katharina oder Marie heißen. Die pflegeleicht sind, eine schöne Handschrift haben, keine F-Wörter kennen und Pferde lieben. Marie und Katie gehen nach der Schule zum Ballett-, Hockey- und Klavierunterricht. Sie malen mir zum Geburtstag Bilder von Lillifee und freuen sich, wenn ich was in ihr Poesie-Album schreibe. Testosteron im Klassenzimmer nervt nur. Kevin, Kenan und Kolya sind anstrengend und betreuungsintensiv. Sie quälen mich mit ihrer notorischen Unruhe, machen keine Hausaufgaben und krakeln bei Klassenarbeiten nur unleserlich rum. Kein Wunder, dass sie keinen vernünftigen Abschluss bekommen.
    Ich bin Lehrerin geworden, weil ich es bequem und sicher haben wollte. Sisyphos stand nie auf meiner Vorbildliste. Der Mann beim Arbeitsamt fand damals auch, dass es keinen besseren Beruf gebe: Wo sonst habe eine Frau so viel Freiraum für Haushalt und Kinder? Leider heckt die Presse täglich neue Zumutungen aus, denen sich Lehrer gefälligst stellen sollen. Alles, was Kindseltern, RTL, FDP und Internet versaubeuteln, sollen die Lehrer richten. Nicht mit mir.
    Ich beherrsche nach jahrelanger Übung den peripheren Blick über das große Ganze und zerreibe mich nicht in Kleinkram. Habe ich Outdoor-Pausenaufsicht, drehe ich der Kletterwand den Rücken zu und unterhalte mich mit dem neuen Physikkollegen. Warum soll ich meine wertvolle Pause damit verbringen, Prügeleien zu verhindern? Lieber schließe ich mit den Zuschauern Wetten darüber ab, wer gewinnt. Und anstatt in den Raucher- und Kiffer-Nischen die Stimmung zu verderben, rauche ich eine mit und beschwichtige aufgeregte Eltern: »Kiffen ist in dem Alter ganz normal. Machen Sie sich keine Sorgen um Benny, er ist ein souveräner User!«
    Journalisten wünschen sich inbrünstig, dass Lehrer mit ihren Schülern zusammen Mittag essen. Sehen die lieben Kleinen nämlich Wildreis und Gemüse auf dem Lehrerteller, ernähren sie sich auch gesund. Glücklicherweise kann ich bei unserem Mensabetreiber im Lager essen, ganz in Ruhe, ohne dass mir jemand auf den Teller schielt. Ich habe keine Lust, rund um die Uhr Vorbild zu spielen.
    Zeitgleich mit der Schlussklingel schnappe ich meine Taschen und lasse sämtliche Schüler stehen, die mich mit ihren Extrawünschen und Klagen behelligen wollen. Ich wähle den Hinterausgang beim Sportplatz. Dort kann ich unbemerkt entwischen und werde nicht mit Mobbing-Opfern und Komatrinkern konfrontiert, muss nicht in religiöse oder politische Auseinandersetzungen eingreifen.
    Meine Lieblingsjournalistin regt sich immer wieder darüber auf, wie viele Schüler schwänzen und wie wenig Lehrer dagegen unternehmen. Warum sollte ich auch Schüler zurück ins Boot zerren, die mir und ihren Mitschülern nur auf den Keks gehen? Ich bin froh, wenn Kimberley und Maik während des Unterrichts ins Einkaufszentrum gehen. Dort lernen sie so viel für ihr späteres Konsumentenleben! Schade, dass ich von den Shopping-Arkaden keine Provision für schwänzende Schüler bekomme.
    Als ich Schwänzern noch hinterherjagte, riet mir ein weiser Herr vom Jugendamt, das Problem einfach auszusitzen. Irgendwann habe auch ein Schwänzer seine Schulpflicht erfüllt. Für diesen guten Rat möchte ich mich hier

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