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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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habe ich auch nur unfreundlich »Rrraus!« geknurrt, ich habe es verdrängt. Das Mädchen am Kopierer dreht sich um: »Ich bin keine Schülerin, ich bin PKB.« Wie peinlich.
    PKBs sind Stundenkräfte aus der sogenannten »Personalkostenbudgetierung«. Sie füllen derzeit alle möglichen Lücken an den Schulen. Unser Kollegium hat seit ewigen Zeiten keine Junglehrer mehr gesehen, deshalb halten wir alles unter Vierzig für Abiturienten. Mein Fachbereichsleiter gesteht, dass er in der Pause einen »neuen Schüler« auf den Hof schicken wollte. Der wehrte sich heftig, er war auch »PKB«.
    Seit Schuljahresbeginn haben wir fünfzehn neue Kollegen und Kolleginnen verschiedenster Qualifikation an unserer Anstalt. Ein Mann unterstützt als Ein-Euro-Kraft den Hausmeister. Er jätet und gräbt mit delinquenten Jugendlichen im Schulgarten und kann sie dabei in ihren jeweiligen Muttersprachen domestizieren, ich meine natürlich »anleiten«. Er ist ein erfahrener Lehrer, hat seine Prüfungen aber in einem fernen Land abgelegt. Bei uns werden sie leider nicht anerkannt.
    Eine andere PKB fühlt sich an unserer Sekundarschule sichtlich unwohl. Sie hat doch die Studienratslaufbahn eingeschlagen! Das betont sie bei jeder Gelegenheit. Dann grinsen wir Älteren ein wenig, denn bei uns laufen etliche Studienräte rum, und durchaus nicht nur strafversetzte, sondern auch solche, die sich ganz bewusst für eine andere Schulform als das Gymnasium entschieden haben.

    Dafür grinsen die Jungkräfte heimlich, wenn wir Altgedienten verzweifelt Lesebrillen, Schlüssel und am Computer die Umschalttaste für @ suchen.
    Unter diesen Stundenkräften befinden sich auch zwei Frauen, die alle Hürden des Referendariats erfolgreich bewältigt haben und jetzt verblüfft konstatieren, dass andere »Lehrer« ganz ohne pädagogische Ausbildung in den Schuldienst gelangen. Wir haben z.B. jetzt einen Bierbrau-Ingenieur und eine promovierte Sinologin mit »an Bord«, die sich um Jugendliche mit Schuldistanz kümmern sollen. Sie haben zur ersten Konferenz ein rohes Ei mitgebracht und dies als gutes Mittel zur Sensibilisierung für Lehrer und Schüler propagiert. Das Ei muss man den ganzen Tag bei sich tragen und darauf achten, dass es abends noch heil ist.
    Ein junger Chemiker mag keine pubertären Ungeheuer und wehrt sich mit harten Zensuren und inflationären Tadeln. Nach drei Monaten rettet er sich an die Bundesanstalt für Materialprüfung.
    Eine Planstelle oder einen unbefristeten Vertrag hat niemand von den Neuen. Trotzdem dürfen sich einigesofort als Klassenlehrer engagieren, etwa in der berüchtigten Spezialklasse, die nur aus Wiederholern besteht. Die Neuen hoffen, dass sie nach dem ersten Halbjahr nicht schon wieder gehen müssen. Deswegen stürzen sie sich in die unbeliebte Gremienarbeit und trauen sich nicht, Nein zu sagen, wenn sie noch zwei Überstunden und noch zwei Schüler übernehmen sollen.
    Die älteren Kollegen träumen hoffnungsfroh vom Wiederauferstehen der GEW-Betriebsgruppe: »Wir haben doch jetzt so viele frische Kräfte, die bringen Schwung in den Alltag!« Die Sportkollegen hoffen auf eine neue, starke Lehrer-Fußballmannschaft. Seit Jahren können sie nämlich nur noch beim Volleyball gegen die Schüler gewinnen – weil sie da strategisch überlegen sind.
    Ich beobachte mit Interesse, wie griesgrämige, mürrische Männer mutieren. Für ihre gleichaltrigen Kolleginnen schreiben sie unfreundliche »Bedienungsanleitungen für Frauen« an Beamer und DVD-Player, so dass man glatt die Frauenbeauftragte einschalten müsste. Bei der Begegnung mit jungen Kolleginnen haben sie dagegen Kreide gefressen. Stimmlage und Diktion werden hilf-und wehrlos. »Vorsicht, das ist unser Ober-Chauvi«, verrate ich einer jungen Kollegin spöttisch. Der ältere Kollege, der sonst nicht auf den Mund gefallen ist, wird rot. Wie rührend!
    Den neuen Kräften stellen unsere Schüler Fragen, die sie sich sonst nicht trauen würden. Aber vielleicht interessiert sie bei den älteren Lehrern die Antwort auchweniger. »Frau Fleischmann, sind Sie lesbisch?« – »Frau Kantaro, Sie wirken immer so tiefgründig, ständig wollen Sie über das Unbewusste reden. Sagen Sie mal, kiffen Sie eigentlich?«
    Die beiden Befragten lachen sich darüber im Lehrerzimmer halb tot und entschwinden leider nach kurzer Zeit auf Planstellen in Hamburg. So nach dem Motto »Berlin? Ich bin doch nicht blöd!«
    Für sie springen zwei pensionierte Kollegen ein, die sich daheim

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