Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden
machen muss. Die besteht darin, dass die junge Referendarin zu enge Hosen trägt. »Man kann wirklich alles sehen! Die Schüler werden in ihrem Unterricht ganz unruhig! Können Sie sie nicht mal offiziell belehren, dass man so nicht vor eine Klasse tritt?« Ich bitte um interkollegiale Klärung. Frau Stolze ist beleidigt und schmettert die Bürotür zu. Leider hat ein wartender Schüler die Hand im Türrahmen. Schrille Schreie.
Die Erste-Hilfe-Lehrerin wird gerufen. Jeder ihrer Auftritte ist großes Theater. Sie leitet nicht umsonst den Kurs Darstellendes Spiel. Auf meinem Schreibtisch wird das Operationszubehör ausgebreitet. Der weinende Knabe tropft. Ich kann kein Blut sehen und flüchte auf die Toilette.Wie dem Rattenfänger von Hameln folgt mir ein Schwanz von Bittstellern, Klägern und Querulanten. Frau Hammer kann ich kurz vor der Klotür abwehren. Ich halte die Spülung gedrückt, damit ich ihr Lamento nicht höre.
Sie wartet, bis ich wieder rauskomme. Schülerin Samara hat ihr einen Vogel gezeigt. »Das kann ich gut verstehen«, murmle ich beim Händewaschen. Wann gongt es endlich zur Stunde? Wann verschwinden sie endlich in ihren Klassenzimmern? Im Sekretariat streiten sich zwei Sportkollegen, wer als erster mit mir reden darf. Sie zerren aneinander rum. »Ich war zuerst da!« – »Aber ich habe was ganz Dringendes zu klären!« Als ich an ihnen vorbei will, trifft mich ein Ellbogen im Magen. An mehr kann ich mich nicht erinnern…
Da fällt mir ein guter Witz ein: Wissen Sie, was der Unterschied zwischen meiner Schule und Ihrer psychiatrischen Anstalt ist? – Die Telefonnummer.
(Der Inhalt dieses Textes entfaltet sich am besten, wenn Sie bei der Lektüre«They’re coming to take me away hahaa« von Napoleon XVI aus dem Jahre 1966 hören!)
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Überall Plagiatsvorwürfe
P aul geht in die 8. Klasse und ist Redakteur unserer Schulzeitung. Ich habe allerdings noch nie mit eigenen Augen gesehen, dass er einen Artikel verfasst hat. Zumindest nicht in den zwei Stunden, die sich unsere Redaktion montags im Computerraum trifft. Dort surft Paul kichernd im Internet, rollt auf seinem Drehstuhl durch den Raum und hält die anderen von der Arbeit ab, indem er ihnen lustige oder eklige Websites zeigt. Ich habe dadurch immerhin gelernt, was »Body Modification« oder »Gangnam Style« ist. Sonst hätte ich mal wieder keine Ahnung gehabt, was die Welt bewegt. Glücklicherweise hat sich bisher kein Redaktionsmitglied die Zunge spalten oder die Ohrläppchen annähen lassen, auch hüpft niemand wie ein Cowboy durch den Raum und schwingt eine imaginäre Peitsche.
Einmal hat Paul unter meiner Aufsicht einen Witz für die Schulzeitung aufgeschrieben. Der war ganze drei Sätze lang und hat mich mindestens zwanzig Mahnungen gekostet. Abgedruckt haben wir den Witz nicht, weil ihn niemand außer Paul lustig fand. Aber alle 14 Tage bringt Paul großartige Artikel mit: über Klimawandel, über gesunde Ernährung, über Meditation, Navigation und Globalisierung. Ohne Grammatikfehler, ohne stilistische Holper.
»Sag mal, Paul, wie heißt eigentlich dein Vater mit Vornamen?«, frage ich scheinheilig. »Ingo«, antwortet Max und gibt sofort zu, dass Vati ihm bei den Texten »hilft«. Ich finde, gerechterweise sollte Ingos Name unter den Artikeln stehen. Paul meint treuherzig, dass er gar nicht zur Schulzeitung wollte, sein Vater hätte ihn dazu genötigt. Ich kann Vater und Sohn davon überzeugen, dass Paul in der Arbeitsgemeinschaft »Trommeln« besser aufgehoben ist.
Dafür kommt Chloe in die Redaktion. Sie schreibt im Akkord Liebesgedichte. Die anderen Jungredakteure sind von soviel Gefühl und Lebensweisheit ergriffen. Ich hingegen habe seltsame Déjà-vu-Erlebnisse. Ich gebe Kernstellen aus Chloes Bekenntnislyrik im Internet ein und finde Songtexte von Nena, Annett Louisian und Rio Reiser. Chloe ist empört. Sie hat nicht geklaut! Sie hat die Texte doch umgearbeitet!
Im Redaktionsbriefkasten landen Aphorismen von Murat. Ich lese bei unserer nächsten Sitzung einen vor, der mich ein wenig rührt (Murat ist nämlich sonst ein aggressiver Kampfhahn): »Wenn du eine Träne wärst, würde ich nie mehr weinen, um dich nicht zu verlieren«. Indira sieht mich verächtlich an: »Das ist aus dem Internet. Sehen Sie mal unter Handy-Sprüchen nach!« Sie hat leider Recht. Auch Murats andere Aphorismen finde ich dort. »Geistiges Eigentum? Was ist das denn?« Murat hat keinerlei Schuldgefühle. Das liegt natürlich daran,
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