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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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weiterer Büttel schleppte ein massives Brett herbei, das um gut sechs Köpfe länger war als er selbst und auf dem ein kleiner Querbalken im unteren Drittel angebracht war. Nach und nach erkannten die Bremer, wie die Hinrichtungsmethode funktionieren würde. Das Brett wurde von zwei kräftigen Wachen rechts und links fast senkrecht aufgestellt und in dieser Position gehalten, während eine dritte Arnulf anwies, mit den Füßen auf den Querbalken zu steigen und sich rücklings an das Brett zu lehnen. Kaum dass dies geschehen war, griff ein Büttel seine Arme und band sie ihm hinter dem Brett zusammen.
    Von der Seite sah Gawin, dass der Querbalken, auf dem nun das gesamte Gewicht des Verurteilten ruhte, nur lose mit vier Holzkeilen in das Brett geschlagen war. Sobald der untere Teil des Bretts ins Wasser tauchte, würden sie sich lösen und den Körper unweigerlich ins kochend heiße Nass rutschen lassen.
    Advokat Scheller warf seinem Mandanten einen kurzen Blick zu. Er war nur zu froh, dass seine Rede gefruchtet und Hanno doch noch die Wahrheit gesagt hatte. Scheller wollte sich nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wenn Gawin statt der anderen in das siedende Wasser abgetaucht wäre. Es war nicht die erste Verurteilung, der er beizuwohnen hatte. Doch diese Art der Hinrichtung schien ihm weitaus grausamer zu sein als viele andere, denen er in den letzten Jahren zusehen musste.
    Arnulf selbst ließ alles mit sich geschehen. Kurz blickte er noch einmal zum Dom hinüber, als wähne er von dort in seinen letzten Momenten auf Erden noch Gnade zu erfahren. Der Querbalken unter seinen Füßen knarrte bereits bedenklich, und der Vogt rief zur Eile, um die wacklige Konstruktion nicht schon vor der Hinrichtung zerbersten zu lassen.
    Die Menge johlte, erst noch verhalten und leise, dann immer lauter, fordernder. Schließlich kamen erste Jubelschreie auf, als die Wachen das Brett hochhievten und Arnulf in der Waagerechten zum Kessel hinübertrugen. In diesem Moment betrat der Erzbischof das Podest.
    »So überantworten wir nun deine unsterbliche Seele dem Allmächtigen, auf dass er dir vergebe deine schändlichen Taten und dich einziehen lässt in sein Reich! Amen!«
    Die Büttel hoben das Brett erneut an und brachten es vorsichtig, damit Arnulf nicht sofort ins kochende Wasser hinabrutschte, in die Senkrechte. Mit einem Ruck stellten die Büttel das Brett vollends auf und tauchten Arnulfs Füße auf dem Querbalken damit in das brühend heiße Nass.
    Er schrie so laut und markerschütternd auf, wie es nur eine gequälte Seele vermochte. Wie zur Antwort schrien auch einige Männer und Frauen in der Menge auf. Das Knarren, als die Holzkeile nachgaben und der Querbalken wegbrach, konnte man nicht hören. Plötzlich sah man jedoch, wie Arnulfs Körper haltlos das Brett hinabrutschte.
    Wasser spritzte auf und ließ die Menschen einen Satz nach hinten machen. Keiner wagte zu sprechen, so mancher hielt sogar den Atem an. Doch Arnulf versuchte nicht mehr sich aufzurichten. Wahrscheinlich hatte er schon beim Eintauchen das Bewusstsein verloren oder war kurz danach gestorben. Einer der Büttel drückte mit einer Holzstange mehrfach gegen den Körper des Delinquenten, der mit dem Rücken nach oben im Wasser trieb. Doch weder zuckte Arnulf hierbei, noch veränderte er ansonsten in irgendeiner Weise seine Position.
    »Er hat’s hinter sich!«, rief der Büttel aus, und sofort brach aufs Neue ein unbeschreiblicher Jubel aus.
    Der beißende Gestank gekochten Fleisches erfüllte die Luft, als insgesamt sechs Büttel sich mühten, den leblosen Körper mit Stangen aus dem Kessel zu zerren. Es dauerte eine Weile, bis sie es geschafft hatten, ohne sich dabei zu verbrühen.
    »Der Nächste«, ordnete der Büttel, der die Prozedur leitete, ruhig an.
    Leupolds Knie zitterten so heftig, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Als einer der Büttel ihm die Handfesseln durchschnitt, stieß er jedoch ein durchdringendes »Nein« aus und wehrte sich nach Leibeskräften, als die Büttel ihn packten und auf das Brett hieven wollten. Diesen Moment nutzte der Lautzer zu einem zweiten Fluchtversuch. Die Stufen hinunterkommen zu wollen war ausgeschlossen. Der einzige Weg, der ihm offen stand, führte direkt an dem Kessel vorbei. Nur hier standen in einiger Entfernung keine Wachen, da niemand Gefahr laufen wollte, sich versehentlich die Haut zu verbrennen.
    Wie von Sinnen stürmte er los und rannte dabei Advokatus Scheller einfach über den Haufen.

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