Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
Vom Netzwerk:
Ebenso stieß er Gawins Stuhl mit einem gewaltigen Ruck um, so dass dieser rücklings zuerst vom Stuhl und dann vom Podest fiel und mit dem Rücken hart auf dem Platz aufschlug. Reglos blieb er liegen.
    Anna stockte der Atem. Sie konnte Gawin nicht mehr sehen. Seine Hände waren bis eben gefesselt gewesen. Angst packte sie, dass ihr Geliebter trotz der bewiesenen Unschuld doch noch zu Tode kommen würde. Sie wollte zu ihm eilen, konnte in der dichtgedrängten Menge aber keinen Schritt nach vorne machen. Siegbert war aufgesprungen und eilte unter den erschreckten Rufen der Menschen zu der Stelle, an der Gawin vom Podest gefallen war.
    Schon sprangen die ersten Büttel hinter dem Verurteilten her, der sich seinerseits mit vier, fünf raschen Schritten einen Vorsprung zu schaffen vermochte.
    Auch Leupold wollte die Verwirrung nutzen, wandte sich um und preschte in die gleiche Richtung wie der Lautzer davon. Doch in seinem Fall waren die Büttel aufmerksamer. Einer von ihnen stürzte sich auf den Verurteilten, der gerade im Begriff war, seitlich vom Podest zu springen, und bekam ihn im letzten Moment zu fassen. Leupold verlor das Gleichgewicht und schlug mit voller Wucht auf dem Rand des Kessels auf. Ein paar der seitlich im Boden verkeilten Eisenstangen brachen weg, das Gewicht von Leupolds Körper tat ein Übriges. Unter dem Gekreische der Menschen kippte der Kessel um, und sein kochender Inhalt ergoss sich über das Podest auf den Marktplatz hinab. Gawin, der noch immer am Boden lag und gerade erst wieder zu sich kam, wurde von einem Schwall getroffen und schrie gellend auf.
    »Helft ihm, schnell, verdammt noch mal!« Siegbert war dem Wasser ausgewichen und mühte sich, Gawin beiseitezuzerren.
    Zwei Büttel hasteten zu ihm hinüber und zogen Gawin nach oben. Wieder schrie er vor Schmerzen.
    Am meisten hatte er an der Brust abbekommen. Klatschnass klebte der noch immer heiße Stoff auf seiner Haut.
    Inzwischen hatten die Büttel den Lautzer wieder eingefangen und zerrten ihn rüde zurück zum Podest. Für den immer noch am Boden liegenden Leupold brauchte man keinen Vollstrecker mehr. Beim Sturz auf den Kessel musste er sich so schwer verletzt haben, dass keiner mehr etwas für ihn tun konnte.
    Bürgermeister Doneldey lief aufgeregt auf dem Podium hin und her, gab den Bütteln Befehle und schrie nun mit einem Blick auf Gawin und Siegbert, der dicht über dem Verletzten kauerte: »Gibt es hier einen Medicus? Dann möge er sich sofort hierherverfügen.«
    Ein Mann erhob darauf in der Menge die Hand und drückte sich dann durch die Menschen hindurch, die ihm, so gut es ging, Platz machten, und ließ sich ebenfalls neben Gawin nieder, um seine Wunden zu begutachten. Vorsichtig schlug er dessen Hemd nach oben. Die verbrühte Haut hatte Bläschen geschlagen, war tiefrot und löste sich an manchen Stellen in Fetzen ab. Eilig fühlte er Gawin die Stirn und zog eines der flackernden Augenlider empor.
    »Wir müssen ihn von hier fortbringen, und zwar schnell!«
    Sofort kamen zwei Büttel, um den Anweisungen des Medicus Folge zu leisten und Gawin wegzutragen. Siegbert ging ihnen voraus und machte ihnen den Weg bis zum Rathaus, dem nächstgelegenen Gebäude, in das sie gehen konnten, frei.
    Währenddessen führten die Wachmänner die noch übrig gebliebenen drei Verurteilten, die sie die ganze Zeit über festgehalten hatten, vor die Ratsleute.
    »Was sollen wir jetzt mit ihnen machen, Bürgermeister?«, wollte einer der Büttel wissen und deutete dabei auf den umgekippten Kessel.
    »Hängt sie!«, brüllte jemand aus der Menge, und sogleich bildeten sich laute Sprechchöre, die allesamt die Hinrichtung der Männer forderten.
    »Vogt, Ihr übernehmt das«, ordnete Bürgermeister Doneldey an. »Hängt sie sogleich am Galgen auf und schafft ihre Kadaver danach unverzüglich aus der Stadt. Wenn ich aus dem Rathaus zurückkomme, will ich keinen mehr von ihnen sehen.«
    Die Menge johlte, und der Vogt bedeutete seinem Dienstherrn mit einem Kopfnicken, den Befehl verstanden zu haben.

    Während die Menschen um sie herum weiter nach vorn in Richtung Podest drängten, versuchte Anna, sich seitlich einen Weg aus der Menge zu bahnen, um zu Gawin zu gelangen. Sie schubste, schlug mit den Fäusten und trat mit den Füßen um sich, um die Menschen, die sie daran hinderten, zum Rathaus zu laufen und sich um ihren Geliebten zu kümmern, aus dem Weg zu räumen.
    Helme ließ sie nicht aus den Augen. Bereits während der gesamten Verhandlung auf dem

Weitere Kostenlose Bücher