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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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dem Gedanken, auf welche Weise diese die Welt nun gleich verlassen mussten. Bang sah sie in die Gesichter der Ratsmänner, die mit versteinerter Miene die Stufen vom Podest herabstiegen und in einer Reihe hintereinander zwei Bütteln folgten, die ihnen einen Weg durch die Menge bis hin zum Rathaus bahnten.
    Margrite und Anderlin sprachen leise miteinander, als die hohen Herren mit betroffenen Mienen an ihnen vorbeischritten.
    Wieder wurde es unruhig auf dem Platz. Die einen murmelten in Grüppchen untereinander, einige wiederum drängelten sich nach vorne, um besser sehen zu können, wie frisch kochendes Wasser in den Kessel nachgefüllt wurde, während nochmals andere versuchten, einen Blick aus nächster Nähe auf den Lautzer und seine Gefolgsleute zu erhaschen, die, mit auf dem Rücken gefesselten Händen und von Bütteln bewacht, auf das Podest geführt worden waren.
    In vielen Gesichtern war Abscheu zu lesen wegen des widerlichen Schauspiels, das allen bevorstand.
    Es dauerte nicht lange, bis der Vogt verkündete, dass der Rat zu einem Urteil gelangt sei und nun zum Schauplatz zurückkehren werde. Wie schon zuvor gingen die Ratsherren in einer Reihe hintereinander, stets in gebotenem Abstand zum Vordermann.
    Als sie das Podest erreichten, nahm ein jeder den Platz ein, den er vorher schon innegehabt hatte. Ein sichtlich mitgenommener Heinrich Doneldey ergriff das Wort.
    »Die Meinung im Rat war einstimmig!«, rief er laut aus. »Die vormals als Zeugen Verhörten und nun des vierfachen Mordes Bezichtigten namens Leupold, Arnulf, Greimolt und Niklas sowie der Lautzer sind schuldig. Auch wenn nach Hannos Aussage der Leupold nicht selbst bei den Morden mit dabei war, so war er doch derjenige, der gegen den Zimmermann Gawin ein falsches Zeugnis ablegte und ihn für die schrecklichen Morde hingerichtet sehen wollte. Seine Schuld wiegt daher nicht weniger schwer als die der anderen. Hanno hat sich im letzten Augenblick dagegen wieder dem Herrn zugewendet und die Wahrheit ans Licht gebracht. Er wird deshalb am morgigen Tage zur achten Stunde mit dreißig Peitschenhieben für seine Taten bestraft. Danach trifft ihn die Verbannung. In den nächsten fünf Jahren darf er die Stadt Bremen nicht mehr betreten.« Er machte eine kurze Pause und atmete tief durch.
    »Nun zu den Mördern.« Er drehte sich kurz in Richtung der Angeklagten. Alle fünf hatten den Blick zu Boden gerichtet und schauten auch jetzt nicht auf. Bürgermeister Doneldey wandte sich wieder den Menschen auf dem Marktplatz zu.
    »Wegen der abscheulichen Morde, die begangen wurden, wird ein jeder von ihnen zum Abtauchen in kochendes Wasser verurteilt und muss so lange in dem Kessel verbleiben, bis sich seine unsterbliche Seele vom Körper löst und danach vom Teufel und seinen Dämonen in Empfang genommen wird. So soll es geschehen!«
    Jubel brach aus! Die Menschen umarmten sich überschwenglich, stießen und drückten gegeneinander. Anna erhielt einen kräftigen Stoß von der Frau, die vor ihr stand und ihrerseits zurückgestoßen wurde. Fast wäre sie zu Boden gegangen, hätten nicht zwei kräftige Hände sie von hinten gehalten. Sie murmelte ein paar Dankesworte und mühte sich wieder um einen festen Stand. Wer sie gerade vor dem Sturz bewahrt hatte und nun direkt hinter ihr stand, bekam sie nicht mit, weil sie just in diesem Augenblick einen weiteren Stoß erhielt und sich an ihrer Nachbarin festhalten musste. Schnell richtete sie den Blick wieder auf das Podium.
    Die Holzplatte, die über dem Kessel lag, wurde nun von drei kräftigen Männern entfernt. Kaum dass sie weg waren, entzündete ein vierter das Feuer. Gierig fraßen sich die Flammen durch die trockenen Holzscheite und schlugen schnell rund um das Gefäß in die Höhe, so dass die Menschen in unmittelbarer Nähe erschrocken zurückwichen. Die Büttel sorgten dafür, dass rundherum genug Platz frei blieb, damit die Umstehenden nicht mit kochendem Wasser bespritzt wurden, sobald die Delinquenten in den Kessel hinabglitten.
    Gawin saß noch immer auf dem Stuhl der Anklage, nur wenige Meter von dem Kessel entfernt. Niemand hatte sich bisher darum gekümmert, dass seine Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt waren. Der Dampf des siedenden Wassers zog bis zu ihm herüber. Selbst auf die Entfernung hin wurde ihm heiß. Er mochte sich nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wenn man ihn in den Kessel getaucht hätte.
    Arnulf, dem Ersten in der Reihe, wurden jetzt die Fesseln durchgeschnitten. Ein

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