Die Duftnäherin
Hoffnung, dich lebend wiederzusehen.«
»Helme ist tot. Ich habe ihn getötet.«
»Du hast Helme getötet?«
»Ja. Er hatte mich zusammen mit einem Freund verschleppt.«
»Die Küche war nicht mehr zu retten, Ratsherr von Goossen«, trat in diesem Moment einer der Männer zu ihnen, die noch immer Eimer mit Wasser in das qualmende Haus hineinreichten. »Und ein Teil des Eingangsbereichs sieht auch ziemlich mitgenommen aus. Aber das Feuer ist gelöscht, nur stinkt es da drinnen jetzt bestialisch nach Rauch und allerlei Verbranntem.«
»Lasst es stinken!«, brachte Siegbert gelöst hervor.
»Ich habe außerdem die Büttel rufen lassen, wegen des Toten. Das ist Vorschrift, und ich …«
»Ihr habt richtig gehandelt«, unterbrach Siegbert ihn. »Und habt vielen Dank für Eure Hilfe. Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen.« Der Ratsherr legte den Arm um seine Enkelin und nahm dann die Verletzten in Augenschein, die in einer Reihe auf der Straße aufgebahrt waren.
»Erst einmal müssen wir uns um eine Unterkunft kümmern, in der unsere Freunde versorgt werden können. Danach wird sich alles andere finden.«
Anna hockte sich neben Gawin nieder, der vor einiger Zeit wieder das Bewusstsein erlangt hatte. »Wie fühlst du dich?«
»Wie zu heiß gekocht«, scherzte er und brachte Anna damit zum Lachen.
»Du bist unmöglich!«, meinte sie liebevoll und fügte dann hinzu: »Wir werden dich von hier wegbringen und dich gesund pflegen. Alles wird wieder gut.«
Für die nächsten Wochen bezogen sie gemeinsam ein Stadthaus, dessen Bewohner vor der Pest geflohen waren. Auch Margrite kam mit ihnen. Die Vorstellung, in das Haus zurückzukehren, in dem sie mit Anderlin gelebt hatte und in dem er auf so grausame Weise gestorben war, war ihr unerträglich. Sie überlegte, es endgültig zu verkaufen, doch zunächst wollte sie sich die Zeit nehmen, ihren Verlust zu betrauern. Sie hatte mit Hilfe Siegberts dafür gesorgt, dass Anderlin ein Grab direkt neben der Kirche bekam, ein Ort, der normalerweise den wichtigen Bürgern der Stadt vorbehalten war. Täglich ging sie dorthin und nahm manchmal auch ein Stück Seife für ihn mit, eine Geste, über die er, so bildete sie sich ein, gewiss lächeln musste.
Die Pest hatte ihren Zenit überschritten, und die Todesfälle gingen langsam zurück. Wo noch vor kurzem die Leichen zuhauf auf den Straßen gelegen hatten, standen nun wieder kleinere Gruppen von Leuten zusammen und tratschten über die neuesten Ereignisse in der Stadt.
Erzbischof Gottfried von Arnsberg war seines Amtes enthoben und aus Bremen vertrieben worden. Und das, obwohl er eine Madonna hatte schnitzen lassen, die kurz vor der Vollendung stand und deren Liebreiz und Anmut schon jetzt weit über die Stadtmauern hinaus bekannt war. Seine Nachfolge war noch nicht geregelt, doch störten sich die Bremer kaum daran. Vielmehr mussten wegen der vielen Pesttoten zahlreiche Posten neu besetzt und die Ordnung wiederhergestellt werden. Es herrschte Aufbruchsstimmung unter den Bürgern.
So fiel auch eine Geschichte, die man allenthalben hörte, nicht weiter ins Gewicht. Es ging dabei um eine junge Näherin und ihren Gatten, den Künstler, der die Madonna des Bischofs gefertigt hatte. Der vertriebene Erzbischof, so hieß es, hatte, zum Schutz der reinen Seelen seiner ihm anvertrauten Schäfchen, die beiden zum Schein als Geschwister ausgegeben, weil er hoffte, die Statue, die der Näherin bis aufs Haar glich, dadurch als das wahre Abbild einer Jungfrau ausgeben zu können.
Manch ein Bremer schüttelte über diesen Einfall des Bischofs verwundert den Kopf. Was für ein ulkiger Gedanke, in der Tat. Doch was ließ sich der Klerus nicht alles einfallen, um seine Herde im Sinne des Herrn zu lenken?
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Nachwort
E inige Personen, die in diesem Buch eine Rolle spielen, sind historisch belegt.
Dies sind zum einen die Bürgermeister der Stadt Köln, Johann Overstolz von Efferen und Eberhard Hardevust. Tatsächlich verhielt es sich in der damaligen Zeit so, dass immer zwei Bürgermeister ins Amt gewählt wurden, und zwar zu Weihnachten und zum Johannistag am 24 . Juni. Auf diese Weise gab es jeweils einen »älteren« und einen »jüngeren« Bürgermeister, was sich ausschließlich auf die jeweilige Amtszeit bezog, die auf ein Jahr begrenzt war. Sie durften erst nach zwei Jahren wieder gewählt werden.
Dann habe ich die wichtige, historisch verbürgte Person Heinrich Doneldeys meinem frei erfundenen Siegbert von Goossen als
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