Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunkelgräfin: Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes (German Edition)

Die Dunkelgräfin: Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes (German Edition)

Titel: Die Dunkelgräfin: Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
Vom Netzwerk:
wäre das Opfer; ich muss mich also so verhalten, wie ich es tue, und abwarten; anders zu handeln würde mir neue Unannehmlichkeiten einbringen; davon hatte ich genug. Ich nehme deine weisen Ratschläge, die du mir gibst, sehr an und handle danach … Ich gebe zu, dass ich immer noch eine Art Verlegenheit empfinde, wenn ich mich vis à vis von Madame befinde, ohne es zu wollen.« 7
    Hue wusste, dass er die falsche Prinzessin vor sich hatte, er hatte immer wieder ein schlechtes Gewissen, das falsche Spiel mitzuspielen, aber er hatte sich nun mal entschlossen, den Bourbonen weiter zu dienen und dadurch für seine Familie auf Dauer einen gesicherten Lebensunterhalt zu bekommen. Nach Frankreich konnte er nach neun Monaten nicht mehr so einfach zurück. Die Emigrantengesetze sahen vor, dass jeder, der die Republik verließ, Vermögen und Bürgerrechte verlor. Und wenn er auch ursprünglich mit Genehmigung der Regierung nach Wien gereist war, galt er Ende 1796 doch längst als freiwilliger Emigrant, der bei einer Rückkehr die Verhaftung riskierte. Seine einzige Chance war, in Wien auszuharren und zu hoffen, dass man seine Dienste irgendwann anfordern würde. Aus seinen Briefen klingt die Verzweiflung, weil er seiner Frau nicht mehr bieten kann. Nur langsam machte er Fortschritte: »Heute hat mich Madame de Chanclos zu der respektablen Person geschickt [Marie Thérèse, Anm. d. Autorin]«, schreibt er Mitte Dezember 1796, »ich wurde extrem gut empfangen, aber dieses Schweigen zerreißt mir das Herz.«
    Im März 1797 scheint er es geschafft zu haben. Dieser Brief an seine Frau ist auch der vorletzte, der von der Geheimpolizei abgeschrieben wurde. Die Akte wurde geschlossen. Seit dem 1. des Monats sei man höflich zu ihm, schreibt Hue, »nicht affektiert, nicht befangen«. Er hoffe auf 600 Livres Gehalt mehr pro Jahr. In diesem Frühjahr wolle er öfter nach Schönbrunn gehen, wenn Madame da sei, und er habe auch keine Angst mehr, ihr zu begegnen. Sogar ein Zimmer in Schloss Schönbrunn oder in Schloss Laxenburg habe er in Aussicht. 8
    Hue folgte der Prinzessin 1799 nach Mitau, Louis XVIII. machte ihn zum Baron und zum Schatzmeister. Sein Sohn wurde Kammerdiener bei ihm und später bei Charles X., Madame Hue wurde in den neuen Hofstaat der Herzogin von Angoulême aufgenommen.
    Hue hatte sein Ziel erreicht, für sich und seine Familie ausgesorgt. Da spielte der »Schleier, den niemand hebt« keine Rolle mehr. Er hat lange mit sich gekämpft und am Ende das Unabänderliche akzeptiert, wie so viele in diesen Zeiten, wo es am Ende nur noch darum ging, irgendwie zu überleben.
    Anders als Hue bekam Madame de Soucy keine Belohnung für geleistete Dienste, und so nutzte sie später das erfahrene Geheimnis für eine Erpressung. Wie schrieb der Nervenarzt Lavergne noch an den Sekretär der Herzogin im Juli 1847: »Wenn ich in den ersten Tagen, als ich von der Affäre erfuhr, dies der Regierung verkauft hätte, hätte ich beträchtliche Summen bekommen.« 9
    Denn ein Bekanntwerden der Vertauschung hätte die Ehe der »Madame Royale« mit dem Herzog von Angoulême ungültig gemacht, der Dispens des Papstes wäre unter falschen Voraussetzungen erschlichen worden, das Sakrament der Ehe missbraucht. Die Regierung Louis Philippes hätte ohne Probleme darlegen können, dass Louis XVIII. und Charles X. davon gewusst haben müssen. Das Haus Orleans unter Louis Philippe hätte 1832 wohl tatsächlich Unsummen bezahlt, um damit den Anspruch des älteren Zweiges der Bourbonen und seiner legitimistischen Anhänger durch diesen enormen Skandal endgültig vernichten zu können.

Die Verantwortlichen
für die Vertauschung in Frankreich

Die Prinzessin
auf der Suche nach einer Heimat (1796 – 1806)

Die politische und militärische Lage
1795/96 am Oberrhein

»Es gibt zwei Arten von Geschichte: die offizielle, lügenhafte Geschichte, und dann die geheime, wo die wahren Ursachen der Ereignisse liegen«,
    schrieb der französische Schriftsteller Honoré de Balzac Anfang des 19. Jahrhunderts. Und doch gilt die »offizielle« Geschichte auch heute noch oft als die einzig wahre, weil sie auf schriftlichen Quellen gründet, während die »geheime« Geschichte meist keine Dokumente hinterlässt.
    Das ist aber eine vor allem auf unseren Kulturkreis bezogene Aussage. Denn es gibt viele Kulturen, in denen keine Dokumente existieren, sondern durch mündliche Überlieferung Fakten und Ereignisse weitergegeben werden. In vielen Fällen wurden auch durch

Weitere Kostenlose Bücher