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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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hier in einem Bettchen unter dem Fenster. Anna deckte die Kinder richtig zu, dann zog sie Schürze und Rock aus und legte sich im Hemd ins Bett. Durch die Wand vernahm sie das Raunen der Stimmen. Sie verstand kein Wort, aber es konnte nichts Gutes sein, was die drei am Küchentisch besprachen. Es konnte nichts Gutes sein, nicht mit Rimmel und ihrem Schwager. Was lungerten die hier bei ihnen herum, mitten im Heumonat, an einem gewöhnlichen Werktag. Ihre einzige Wiese hatten sie bis jetzt auch alleine heuen können, sie mit ihrem Mann und den Kindern. Mit den beiden anderen würde es kein bisschen schneller gehen. Ihr Schwager hatte selber Frau und Kind. Wieso war er nicht bei ihnen? Sie lauschte dem Raunen und den langen Pausen dazwischen. Mit bösen Ahnungen schlief die Bauersfrau Anna Bonadurer irgendwann ein. Sie nahm sie in ihre Träume mit, wo sie weiter wirkten.
    9 Am nächsten Morgen, am Mittwoch, den 11. Juli, wurden Hostetter und Rauch kurz hinter Feldkirch von einer Postkutsche überholt. Sie traten zur Seite, um das Gespann vorbei zu lassen, da sahen sie Franziska im Innern des Wagens. Sie hatte Rauch ebenfalls gesehen und winkte ihm aus dem Fenster zu, bis die Kutsche hinter einer Biegung verschwunden war.
    Die zweite Begegnung, sagte Hostetter bedeutungsvoll, als sie weitergingen, aber aller guten Dinge sind drei!
    Wer sagt das?, fragte Rauch.
    Keine Ahnung, das sagt man halt so.
    Um die Mittagszeit, die Sonne stand recht hoch, kamen sie die Straße vom Luziensteig hinunter. Noch vor der Gemeinde Fläsch stand der Schlagbaum, der die Grenze zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und Graubünden markierte. Genaugenommen war es die Grenze zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizer Eidgenossenschaft. Für einen Bündner war das allerdings weniger wichtig.
    Die Landjäger Venzin, Arpagaus und Clopath standen am Schlagbaum. Clopath war in Fläsch stationiert und kontrollierte den Verkehr, der die Straße vom Luziensteig herunterkam. Die drei waren in ein Gespräch vertieft. Es ging um die zwei Weiber und den falschen Arzt, die gemeinsam aus der Zuchtanstalt Sennhof in Chur ausgebrochen und auf der Flucht waren. Nein, Clopath hatte in den letzten Tagen kein verdächtiges Trio bemerkt, das den Kanton verlassen wollte. Aber wenn sie zu Fuß unterwegs waren, würden sie auch nicht ausgerechnet bei ihm am Schlagbaum vorbeikommen, sondern sich abseits der Straße durch die Büsche schlagen.
    Das wussten Landjäger Venzin und Arpagaus auch. Dennoch mussten sie Meldung erstatten und nach zufälligen Beobachtungen fragen.
    Hostetter und Rauch traten an den Schlagbaum und zeigten ihre Transitschreiben vor. Sie durften passieren, wurden aber in ein langes Gespräch verwickelt. Die Landjäger wollten alles Mögliche von ihnen wissen. Wie war die Dienstzeit? Erträglich. Das Land? Flach. Das Wetter? Windig. Und die holländischen Frauen? Rote Wangen, blonde Haare.
    Während sie sich unterhielten, näherte sich auf der anderen Seite des Schlagbaums, also vom Ausland her, ein eigentümliches Gefährt. Gezogen wurde es von einem Maultier, das von einem mageren barfüßigen Mädchen am Halfter geführt wurde. Über vier wackligen Holzrädern erhob sich ein Gitterkäfig, der oben mit einer geflickten Plane abgedeckt war. Ausgebleichte, ehemals burgunderrote Vorhänge verwehrten den Blick ins Innere des Gitterkäfigs. Neben dem Gefährt ging ein dünner Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart, der seinen Mund verbarg. Das schmutzige Hemd mit den weiten Ärmeln war vor langer Zeit wohl einmal weiß gewesen. Auch der Mann ging barfuß. An einer Kette führte er einen Bären. Mit einem Holzstock stach der Mann dem Bären unentwegt in die Seite, damit dieser zügig voranschritt. Der Bär musterte die Landjäger mit einem verschlagenen Blick aus den Augenwinkeln und gab einen missmutigen Laut von sich. Vor dem Schlagbaum kam die ungewohnte Prozession zum Stehen.
    Die Landjäger hatten sich unwillkürlich etwas aufgerichtet, die Schultern gestrafft und die Brust nach vorn gedrückt. Sie kannten alle ihre allgemeinen und besonderen Pflichten. Paragraph 18 ihrer Instruktion lautete: Treiber von wilden Tieren zur Schau, als zum Beispiel Bären, Wölfe, auch von zahmen Tieren, bei denen sich das eine oder andere wilde Tier befindet, sind an den Grenzen des Kantons zurückzuweisen.
    Keine abgerichteten Tiere!, rief Clopath den Leuten zu und wies mit ausgestrecktem Arm auf die große Tafel neben dem Schildhäuschen, auf der in

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