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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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handgemalter Schrift mehrere Hinweise standen, den Grenzübergang betreffend.
    Der dürre Mann schien ihn nicht zu verstehen. Vielleicht wollte er auch nicht verstehen. Er nahm ein Papier aus dem Hemd und begann es auseinanderzufalten, bis er den Landjägern ein Plakat vorzeigen konnte, auf dem ein Mann und ein Bär miteinander kämpften. Dazu erläuterte der Dürre mit großem Pathos, dass er und der Bär einen Zweikampf präsentieren würden auf Leben und Tod. Er redete Deutsch, aber auf eine schwer verständliche Art.
    Keine abgerichteten Tiere!, rief Clopath noch einmal, schüttelte deutlich den Kopf und zeigte erneut auf die Tafel.
    10 Ich sage euch, wie wir es machen.
    Rimmel und die beiden Brüder Bonadurer standen im offenen Stalltor und blickten in die Sonne, die bald hinter dem Berg verschwinden würde.
    Wir gehen los, sobald es dunkel wird, sagte Rimmel, während seine Augen stark nach oben schielten und seine Lider flatterten. Niemand im Dorf darf uns sehen, wenn wir aufbrechen. Beeilen müssen wir uns sowieso nicht.
    Eine Stunde brauchen wir, sagte Hans, der jüngere der Brüder.
    Egal, sagte Rimmel, wir haben die ganze Nacht lang Zeit. Ihr beiden wartet in einigem Abstand von der Mühle. Ich gehe zuerst allein hinein und schaue nach, wer da ist. Der Knecht schläft im Stall, aber die Magd, sagte Rimmel und lachte krächzend, schläft im Bett vom Müller. Wenn alle eingeschlafen sind, werde ich vor die Tür kommen und das Licht hin- und herschwenken, dann kommt ihr nach.
    Das kann ja lange dauern, sagte Hans.
    Und wenn sie aufwachen?, fragte sein Bruder zweifelnd.
    Sie werden nicht aufwachen, sagte Rimmel.
    Es braucht nur eine Tür zu quietschen, sagte der ältere Bonadurer.
    Sie werden nicht aufwachen, wiederholte Rimmel.
    Was willst du mit ihnen machen?
    Rimmel nahm seine Hand aus der Hosentasche und hielt ein braunes Fläschchen in die Höhe. Das ist so stark, dass du einen aus dem Haus tragen kannst, ohne ihn aufzuwecken.
    Woher hast du das?, fragte der ältere Bonadurer.
    Selbst gebraut. Das Rezept stammt von einem Franzosen aus Straßburg.
    Und wie willst du wissen, ob es wirkt?
    Ich habe es ausprobiert, eure Katze hat zwei Tage lang geschlafen, sagte Rimmel. Ich lade den Müller und die Magd auf einen Schlummertrunk ein. Wenn die Gelegenheit günstig ist, kippe ich das Zeug in ihre Becher. Keine Sorge, das wirkt schnell.
    Während sich jeder die Sache durch den Kopf gehen ließ, wurde es draußen immer dunkler.
    Dann gehen wir rein, unterbrach der jüngere Bonadurer das Schweigen, jeder nimmt sich einen Sack Reis, und wir kommen hierher zurück.
    Der Müller hat Geld, sagte Rimmel, das wollen wir nicht liegen lassen.
    11 Mittwochabend, 11. Juli 1821, am Namenstag der Rahel, bei zunehmendem Mond, vier Nächte vor dem vollen Rund.
    Hoch oben auf den Bergspitzen leuchtete noch ein letzter goldener Schimmer vor dem blaurosa Himmel, während unten im Tal die kühle Dunkelheit aus der Tiefe wuchs. Wie ein schwarzer Nebel breitete sich die Finsternis aus und brachte die Farben zum Erlöschen, bis nur noch undeutliche Umrisse von schwarzen Tannen und Ställen zu sehen waren. Eine Schwärze, die immer höher stieg, die Bergflanken hinaufkroch und das allerletzte schwache Leuchten von dort oben vertrieb, es über den Grat schob, in den Himmel, in dem es sich auflöste. Zurück blieben die Lichtsplitter der Sterne, nach einem bekannten Muster hingesprenkelt, Polarstern, Venus, der große Wagen, Gestirne, von denen die Seefahrer übers Meer geleitet wurden, die aber in den Bergen bedeutungslos waren, weil es hier nur ein Oben und ein Unten gab, Berg und Tal und den Lauf des Wassers, an dem man sich orientieren konnte, wichtig war lediglich der Mond, der immerhin beträchtlich Licht spenden konnte, sobald er aufging.
    Nach dem Eindunkeln machten sie sich zu dritt auf den Weg. Hansmartin Bonadurer, sein jüngerer Bruder Hans sowie Franz Rimmel. Hansmartins Frau, vor der sie es nicht verheimlichen konnten, hätte gern gewusst, wohin sie nach Einbruch der Nacht noch gehen wollten. Durch die offene Tür hatte sie aufgeschnappt, dass vom Müller die Rede war. Bonadurer murmelte barsch und kaum verständlich, dass sie sich nicht in Männersachen einzumischen hätte.
    Von ihrem Haus in Versam gingen sie auf dem Weg talabwärts. Rimmel vorneweg, einen leeren Rucksack auf dem Rücken, in der Hand seinen Wanderstock. Die Brüder Bonadurer mit dicken Haselstöcken, die sie sonst zum Viehtreiben benutzten. In einigen

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