Die Dunkelheit in den Bergen
Stall war zu sehen, der hölzerne Brunnentrog und der Misthaufen, auf dem die Hühner scharrten und pickten.
Wie kann man nur tagelang den Misthaufen beobachten.
Wieso gibst du mir keine Antwort?, fragte sie.
Ich weiß nicht, wo er ist.
Der Müller ist ermordet worden, sagte sie mit leiser Stimme, die beiden Mägde dazu. An jenem Abend warst du weg. Etwa auch in der Mühle?
Er gab keine Antwort.
Und wenn nicht, wo warst du dann?
Keine Antwort.
Weißt du etwas darüber? Hat dein Bruder etwas damit zu tun?
Er müsste sie aufs Maul hauen, damit sie mit der Fragerei aufhörte. Wieso gab sie keine Ruhe. Er fühlte sich schlecht, und sie machte es nicht besser.
Wieso willst du es mir nicht sagen, Hansmartin? Du hast es nicht getan, das würde ich dir glauben. Du bist kein schlechter Mensch. Aber dein Bruder und der Rimmel, die haben keinen guten Einfluss auf dich. Die Landjäger suchen den Rimmel. Es heißt, er habe es getan, er habe die drei in der Mühle mit der Axt erschlagen. Du weißt etwas darüber, Hansmartin, du kannst es mir nicht verheimlichen. Seit Mittwoch bist du ganz anders. Was ist geschehen? Willst du es mir nicht sagen?
Ich bin krank, sagte er, so leise, dass sie es kaum hörte.
So sah er auch aus. Aber stand ein Kranker am Fenster und beobachtete den Misthaufen? Nein, ein Kranker lag im Bett. Worauf wartest du?, fragte sie.
Auf nichts.
Und wann willst du wieder arbeiten? Mit den Kindern allein komme ich nicht voran.
Wenn ich wieder gesund bin, sagte er, morgen.
Das hast du gestern auch schon gesagt.
Sobald die Kinder ins Haus kamen, ging Hansmartin in die Kammer, legte sich aufs Bett und bedeckte sein Gesicht mit einem Tuch.
47 Der Nachmittag ging auf sein Ende zu, Hostetter und Rauch trieben ihre Pferde im Galopp den abfallenden Weg hinunter, schräg abwärts durch die Alpweiden, dann in den Wald hinein.
Es war ein halsbrecherisches Tempo, aber wenn Rimmel Splügen erst einmal hinter sich gelassen hatte, wäre die weitere Verfolgung ein reines Glücksspiel. Dann würde das große Rätselraten beginnen. Floh er über den Sankt Bernhardin nach Mesocco? Über den Splügenpass nach Chiavenna? Oder vielleicht sogar den Hinterrhein hinunter und durch die Rofflaschlucht und die Via Mala? Hostetter wollte den Mann, den sie von weitem gesehen hatten, unbedingt vor Splügen stellen.
Der Weg führte wieder aus dem Wald hinaus und wand sich in vielen Kehren ins Tal hinunter. Da unten war Splügen bereits zu sehen, seine Dächer, die Brücke über den Hinterrhein, dessen gewundenes silbernes Band. Und sie sahen auf dem Weg, weit unter ihnen, eine Gestalt, die zu Fuß unterwegs war. Ein paar Mal würden sie noch durch die engen Kehren reiten müssen, bis sie ebenfalls da unten wären.
Ohne Ankündigung sprang Rauch plötzlich von seinem Freiberger und rannte in gerader Linie die Wiese hinunter. Hostetter wollte ihm hinterherrufen und eine der Waffen mitgeben, aber es war zu spät. Rauch war bereits hinter der Böschung verschwunden.
Hostetter nahm die Zügel des Freibergers und trabte den Weg entlang. Er versuchte Ausschau zu halten, musste aber auch auf den schmalen Weg aufpassen, an deren Seiten immer wieder Steinblöcke lagen. Er versuchte sich vorzustellen, was Rauch machen würde, wenn es ihm gelang, den Verfolgten zu stellen. Konnte es überhaupt dieser Rimmel sein? Besaß er neben der Axt noch andere Waffen?
Rauch rannte in gerader Linie ins Tal hinunter, in kurzen schnellen Sprüngen, die steilsten Böschungen rutschte er auf dem Hosenboden. Er hoffte, dass er unten war, bevor der Mann ihn entdeckte. Bei den ersten Gebäuden des Dorfes sah er ihn plötzlich bei einem Stall stehen, als würde er sich vor den Blicken aus dem Dorf verbergen wollen. Klein und mager, in kurzen Hosen und einem alten grauen Rock. Er trug einen Rucksack, der wenig zu enthalten schien. Als er Rauchs Schritte hörte, der das letzte Stück auf der Wiese langsamer geworden war und nun keuchend auf ihn zukam, drehte sich der Mann erschrocken um. Rauch sah in ein bleiches, mageres Gesicht mit auffallend hellen blauen Augen, deren Lider zuckten und flatterten, als die Augen nach oben schielten.
Das muss er sein, dachte Rauch, blieb vor ihm stehen, riesig, fast doppelt so groß wie der andere, und fragte außer Atem: Bist du der Franz Rimmel?
Wieso?, stotterte der Mann.
Wir suchen dich, sagte Rauch. Du weißt, was in der Weihermühle bei Bonaduz geschehen ist?
Die Lider flackerten, von den Augen war nur noch das
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