Die Dunkelheit in den Bergen
kann bezeugen, dass ihr die hier namentlich erwähnten Landjäger seid?, fragte der Landammann. Also legten Hostetter und Rauch auch noch die Entlassungspapiere des Bündner Regiments aus Holland vor.
Sie hätten dem Verhörrichter in einer Notlage geholfen, sagte Hostetter, sie seien mit ihm von Chur nach Bonaduz gefahren, weil kein Landjäger zur Verfügung stand. Und im Schloss Rhäzüns, beim Ratsherrn Georg Vieli und seinem Sohn, dem Hauptmann Peter Vieli, seien sie vereidigt worden. Um nach dem Verdächtigen zu suchen. Mit dem Auftrag, ihn zu verhaften und auf schnellstem Weg nach Chur zu bringen. Wo er vor Gericht gestellt werden solle. Weil Rimmel ein Tiroler war, ein Ausländer. Für Ausländer war das Kantons-Kriminalgericht zuständig.
Sie würden in ihrer Gerichtsgemeinde selber für Ordnung sorgen können, brummte Landammann Weisstanner. Dann gab er ihnen die Papiere zurück.
Na ja, sagte Hostetter, immerhin, sagte er. Der Verhörrichter hat es angeordnet. Wenn er, der Landammann, meint, etwas anderes zu befehlen. Wenn er das meint, na dann.
Ich werde einen Boten losschicken, sagte der Landammann.
Ein Bote ist gar nicht nötig, widersprach Hostetter. Wir bringen gleich den Mann statt den Brief.
Will er mir vorschreiben, was ich zu tun habe?, fragte der Landammann verärgert.
Nein, wollte Hostetter einwenden, aber –
Da gibt es kein Aber. Ein Bote wird losgeschickt, der dem Verhörrichter von der Verhaftung dieses Mannes berichten soll. Dann werden wir sehen.
Der Bote müsste aber zum Rathaus nach Bonaduz, sagte Hostetter, dort findet morgen die Befragung der Zeugen statt.
Rimmel wurde im Keller des Splügener Landjägers eingesperrt. Seine Hände blieben gefesselt. Hostetter und Rauch wurden in einer Dachkammer einquartiert. Beim Abendessen (Brotbrocken in Milch) erzählte Hostetter von ihrer Dienstzeit in Holland, Foppa von seinem Alltag als Landjäger im Rheinwald.
Der Freitag, der dreizehnte Juli, ging ruhig zu Ende.
48 Am Samstagmorgen standen sie früh auf. Die Dunkelheit wich einem kühlen, blassen Grau, einzelne Sterne funkelten noch am Himmel. Hostetter und Rauch stiegen als erstes in den Keller hinunter. Durch die kleine Klappe an der Tür sahen sie, dass Rimmel wach war. Der Tiroler saß auf dem Lehmboden und schaute ausdruckslos zu ihnen herüber. Die Tür war mit einem einfachen Eisenriegel geschlossen. Von außen könnte man ihn leicht beiseiteschieben und die Tür öffnen.
Danach gingen Hostetter und Rauch in den Stall zu den Pferden. Sie führten sie zum Brunnen vor dem Haus, ließen sie saufen, soviel sie wollten, brachten sie wieder in den Stall und warfen ihnen einen Arm voll Heu hin.
Beim Frühstück (Brotbrocken in Milch, ein Stück Käse dazu) besprachen sie, was nun zu tun war. Der Landammann wollte abwarten, stellte Foppa nochmals fest, bis Nachricht vom Verhörrichter kam. Hostetter ärgerte sich. Wozu auf Nachrichten warten? Der Befehl war klar und unmissverständlich: Der Verdächtige war auf kürzestem Weg nach Chur zu bringen. Landjäger Foppa verstand die Ungeduld. Wenn der Gefangene früher oder später sowieso nach Chur gebracht werden musste, wieso dann warten? Nach Chur war es ein weiter Weg. Durch die Rofflaschlucht, das Schamser Tal, die Via Mala, das Domleschg, dann das Churer Rheintal hinab. Mit ein paar Pausen brauchte man dafür zwölf Stunden.
Ich werde den Landammann fragen, sagte Foppa, ich werde zu ihm gehen und ihn fragen, ob er herkommen kann, oder was er dazu meint. Noch bevor er in die Kirche geht. Sonst wird es Mittag, bis er kommt. Wenn er überhaupt kommen will. Ich gehe jetzt zu ihm und frage ihn, das mache ich jetzt, sagte Foppa. Er erhob sich, nahm seinen Uniformrock, der an einem Haken an der Küchentür hing, zog ihn an und marschierte los. Hostetter und Rauch gingen wieder in den Stall, putzten die Pferde, sattelten sie und banden sie draußen an.
Dann warten wir halt, sagte Hostetter.
Den ganzen Tag wahrscheinlich, sagte Rauch.
Vielleicht kommt der Landammann gar nicht her. Wir können den ganzen Tag warten, sagte Hostetter, oder einfach gehen.
Sie schauten einander an. Rauch nickte. Mehr wollte Hostetter nicht wissen. Er ging in den Keller und holte Rimmel. Sie ließen ihn kurz am Brunnen trinken. Dann stiegen sie auf und ritten aus Splügen weg. Hostetter voraus, dann Rauch, Rimmel ging am Strick hinterher.
49 Zur gleichen Zeit begann im Rathaus zu Bonaduz die Befragung der Zeugen. Anwesend waren der Verhörrichter Baron
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