Die Dunkelheit in den Bergen
Mal war wie gemeinsames Schwimmen in einem warmen See, in dem sie, einander umarmend, immer tiefer abtauchten.
Erschöpft lagen sie danach auf dem Bett. Bevor der Baron einschlief, fielen ihm eigenartigerweise die beiden Landjäger ein, die er allein und unerfahren auf die Spur des Verdächtigen geschickt hatte, und er fragte sich, wo sie wohl sein mochten.
42 Rauch erwachte mitten in der Nacht. Der Freiberger schnaubte ängstlich und stampfte auf den Boden, als müsste er etwas vertreiben. Einen Augenblick brauchte Rauch, um sich zu erinnern, wo er war. Er sah den Horizont der nahen Berge, darüber die Sterne des Nachthimmels. Safiental, dachte er. Dann hörte er neben sich eine Stimme. Was ist los?, fragte Hostetter.
Rauch stand auf und lauschte in die Nacht. Hier unten im Tal war es so still und dunkel, als wären sie sechs Fuß tief in der Erde. Nur das Schnauben der Pferde war zu hören.
Vielleicht ein Tier, sagte Rauch.
Sollen wir weiterreiten?, fragte Hostetter. Rauch war einverstanden.
Sie sattelten im Dunkeln, wechselten das Halfter gegen das Zaumzeug aus, stiegen auf und ritten weiter. Sie sahen den Boden nicht und mussten darauf vertrauen, dass die Pferde den Weg im Dunkeln fanden.
43 Am Freitagmorgen, den 13. Juli, zog Anna Bonadurer mit ihren Kindern den Leiterwagen durch Versam. Es würde ein sonniger Tag mit strahlend blauem Himmel werden. Sie wollten zuerst Gras mähen, dann auf der Tobelwiese das Heu wenden, um es am Nachmittag einzuholen. Die Kleinen saßen auf dem Leiterwagen, die größeren Kinder gingen mit Gabeln oder Sensen auf den Schultern voraus, ihre älteste Tochter half den Wagen ziehen.
Beim Dorfbrunnen waren Frauen in ein erregtes Gespräch vertieft. Ob sie schon davon gehört habe?, wurde Anna Bonadurer gefragt. Sie blieb stehen und hörte zu.
In der Weihermühle, der Müller und zwei Mägde, sagte die eine Frau. Getötet, sagte die nächste. Abgeschlachtet, die dritte. Schlimmer als Tiere. Der Rimmel wird gesucht, erzählten sie, wild durcheinander, mit vor Schreck geweiteten Augen. Der war doch auch bei euch?
Den Rimmel habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen, sagte Anna Bonadurer leise und zog mit dem Wagen und ihren Kindern weiter. Bei der Tobelwiese angekommen, trug sie ihren älteren Kindern auf, mit dem Heuwenden anzufangen und auf die Kleinen aufzupassen. Sie müsse nochmals zurück. Sie habe etwas vergessen.
Sie ging rasch nach Hause und fand ihren Mann in der Küche. Er stand neben dem Herd und schaute durch das Fenster nach draußen.
Was ist passiert?, fragte sie ihn.
Nichts ist passiert, gab er zur Antwort.
Vorgestern Abend. Du warst auch in der Weihermühle, sagte sie hart. Du und dein Bruder. Und der Rimmel! Was ist dort geschehen?
Ihr Mann gab keine Antwort.
44 Hostetter und Rauch hatten sich von ihren Pferden durch die Dunkelheit tragen lassen. Es war ein betrunkenes blindes Vorankommen, begleitet vom Hufschlag und dem Knarren des Leders. Im Morgengrauen, als die Welt um sie herum langsam wieder an Konturen gewann, aßen sie während des Reitens ein bisschen Brot und Käse und tranken Wasser aus ihren Blechflaschen.
Nun hat jeder von uns vierundfünfzig Kreutzer verdient, sagte Hostetter. Das ist der Lohn von gestern.
Das Safiental war lang und auf der östlichen Seite wenig besiedelt. Rechts unten hörten sie die Rabiusa rauschen. Manchmal lichtete sich der Wald, und sie sahen das schäumende Wasser und dunkle, von der Sonne verbrannte Holzhäuser auf der anderen Talseite.
Hier können wir niemanden fragen, sagte Hostetter, die Leute leben alle dort drüben.
Nach einer Stunde führte der Weg endlich über den Fluss. Sie trafen die ersten Bauern und Knechte, die auf den Wiesen am Mähen waren. Sie ritten zu ihnen hin und sprachen sie an: Landjäger Hostetter, Landjäger Rauch! Wir suchen einen Tiroler!
Es hatte sich im Safiental bereits herumgesprochen, was vorgestern Nacht in der Weihermühle geschehen war. Das Misstrauen gegenüber den beiden Landjägern blieb auch bei Tage bestehen. Niemand wollte Rimmel in den vergangenen Tagen gesehen haben. Hostetter fragte jeden einzelnen, dem sie entlang der Safierstraße begegneten.
Kurz vor dem Dorf kam ihnen ein Bauernwagen entgegen. Hinten drauf saß ein halbes Dutzend Leute, die auf dem Weg zu den Wiesen die Beine baumeln ließen. Einer von ihnen hatte gehört, dass der Casutt Josef aus Safien heute Morgen einen Fremden aus dem Heustall gejagt habe. Gleich der erste Hof am Dorfeingang rechts, der
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