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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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kommen sah, ist noch am Leben, und niemand sah ihn gehen. Wie ist das möglich?« Mirron löste ihre verkrampften Finger und stellte das Boot weg, ehe sie es zerbrach. »Dies ist der Palast der Advokatin.«
    Ossacer zuckte mit den Achseln. »Zehn Jahre lang waren wir Lehrer und Botschafter. Gorian hat sicher neue Fähigkeiten entwickelt. Abgesehen von der Wiedererweckung der Toten, oder was es auch ist, vermag er offensichtlich noch andere Dinge zu tun, von denen wir nichts wissen. Stell dir das vor und sei nicht überrascht, wenn er es tatsächlich kann.«
    »Auch für ihn muss es doch Grenzen geben, Ossie«, widersprach Arducius.
    »Ich sage nur, dass man nichts ausschließen darf«, antwortete Ossacer.
    »Wir werden ihn finden«, versprach Jhered. »Aber zuerst müssen wir herausfinden, wie er in den Palast herein- und wieder hinausgekommen ist und in welche Richtung er sich gewandt hat. Du musst uns sagen, wozu er Kessian braucht, falls es nicht einfach nur der Wunsch eines Vaters ist, seinen Sohn bei sich zu haben.«
    Mirron schnaubte. »Mein Sohn hat keinen Vater.«
    »Du weißt, was ich meine«, drängte Jhered sie. »Erst wenn wir genau nachgedacht haben, können wir einen Plan entwickeln und ihn schnappen.«
    »Es darf nicht zu lange dauern«, sagte Mirron. »Ich möchte nicht, dass Gorian mein Kind verändert, bis es sich gegen mich wendet.«
    »Keine Sorge, du wirst ihn wieder in die Arme schließen, ehe du dichs versiehst«, beruhigte Jhered sie.
    »Sogar noch eher, als du denkst«, antwortete Mirron. »Denn ich werde mitkommen.«
    »Und wir werden sie begleiten«, sagte Arducius.
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Jhered.
    »Glaube, was du willst«, sagte Mirron, »aber nichts und niemand wird mich davon abhalten, meinen Sohn zu suchen.«
    »Und den zu töten, der ihn verschleppt hat«, fügte Ossacer hinzu.
    Mirron biss sich auf die Lippe und wünschte, es könnte eine andere Lösung geben.
    »Auch das«, flüsterte sie.
     
    Yuri Lianov, Hafenmeister des gesternischen Hafens Wystrial, setzte das Spähglas an die Augen und betrachtete abermals das Schiff, das von Rudern getrieben zielstrebig seinen Tiefwasserliegeplatz ansteuerte. Er war nervös, konnte aber den Grund nicht genau benennen. Seit der Ankunft der tsardonischen Invasionsflotte vor zehn Jahren hatte er in seiner tristen Hafenstadt an Gesterns Ostküste große Vorsicht walten lassen. Jedes einlaufende Schiff wurde von den Befestigungen an der Hafeneinfahrt genau beobachtet und von Hafenbeamten in schnellen Booten empfangen. Lianov war es egal, welche Flagge die Schiffe führten; er wollte sich weder von einem, noch von Hunderten von Schiffen überrumpeln lassen.
    Seine Leute hatten mit Flaggen signalisiert, dass alles in Ordnung sei. Es war nur ein unabhängiges tsardonisches Handelsschiff aus einem Hafen in der Bucht von Harryn, an dessen einzigem Mast stolz die Flagge des Königreichs wehte. Es war beklemmend, solche Schiffe in den Hafen zu lassen, aber Gestern war auf den Handel angewiesen, und die Marschallverteidigerin Mardov hatte eindeutige Befehle erlassen. Immerhin wirkte das Schiff völlig normal. Der Kapitän stand auf Deck an der Ruderpinne, seine Matrosen waren an der Reling, die Trommelschläge gaben das Tempo vor.
    Lianov blickte am Schiff vorbei zur Mole, wo wie an jedem Morgen ein emsiges Treiben herrschte. An sechs von zehn Liegeplätzen wurden Ladungen gelöscht oder aufgenommen. Rufe hallten übers ruhige Wasser, es roch angenehm nach Meer, frischem Fisch und Tang. Lianov reichte sein Spähglas dem Hauptmann, der die Festung kommandierte.
    »Beobachtet das Schiff. Schlagt Alarm, wenn es auch nur um ein Grad vom Kurs abweicht. Ich kann förmlich riechen, dass dort etwas faul ist.«
    »Ja, Meister Lianov.«
    »Ich weiß, was Ihr denkt, Hauptmann. So ein Gefühl habe ich viel zu oft, nicht wahr?« Der Hauptmann erwiderte seinen Blick und bestritt es nicht. »Aber dieses Mal …«
    Lianov eilte den Hang vor der weiten Fläche herunter, auf der die Onager und Bailisten der Festung standen, rannte durch dunkle und kalte Gänge und kam auf dem geschwungenen Dammweg, der zur Mole führte, wieder heraus. Er ließ das tsardonische Schiff nicht aus den Augen. Drei Reihen von Rudern, die eintauchten und gehoben wurden. Es sah ungeschickt aus, als bestünde die Mannschaft aus Neulingen. Rasch schloss Lianov zum Schiff auf, das sich mit kleiner Bugwelle dem Liegeplatz näherte.
    Er beschleunigte seine Schritte. Die Bemalung des

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