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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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bemitleidete. »Was du auch für Kräfte entwickelt hast, sie dienen nur dazu, uns alle zu zerstören.«
    »Ah, was für Kräfte es sein mögen«, sagte Gorian leise, aber mit voller Stimme. Sein Zorn war verflogen. »Ich kann dir viel zeigen. Es wird deinen Horizont erweitern. Ich kenne die ganze Wahrheit.«
    »Verschwinde, ich kann dich nicht ertragen. Nur ein Schrei, und du bist morgen zu Asche verbrannt.«
    »Das wirst du nicht tun.« Gorian kam ihr einen weiteren Schritt entgegen.
    Sie hielt seinem Blick stand. »Lasse es nicht darauf ankommen.«
    Er lachte nur, und als er die Hand ausstreckte und seine Energie zu ihr strömte, fand sie nicht mehr die Kraft, ihre Drohung wahrzumachen.
    Die Morgensonne, die durch die Läden fiel, weckte sie. Sie lag ordentlich zugedeckt im Bett. Die Erleichterung nach einem verblassenden schlechten Traum wärmte sie, und ihre Ängste schienen jetzt, bei Licht, nur noch lächerlich.
    Dann drehte sie den Kopf herum. Neben ihr lag etwas auf dem Kopfkissen. Sie runzelte die Stirn. Einer der Fensterläden klapperte leise im Wind.
    »Ich …«
    Dann sprang sie aus dem Bett und rief Kessians Namen, riss die Schlafzimmertür auf, stürmte durch die auf dem Marmor verstreuten Papiere und zwischen den Leuten hindurch, die auf dem Flur standen. Kessians Tür stand offen, sein Bett war leer und kalt.
    Mirron fuhr herum. Arducius und Ossacer waren schon dort. Wächter von der Garde des Aufstiegs. Warum waren sie alle hier? Und warum schauten sie alle so bekümmert drein?
    »Wo ist er? Wo ist Kessian?«
    Ihr war bewusst, dass sie kreischte. Niemand sprach ein Wort, alle starrten sie an.
    »Helft mir doch«, sagte sie, während es in ihrem Kopf rauschte. »Ihr müsst mir helfen.«
    Mirron keuchte und rannte in ihr Schlafzimmer zurück, schnappte sich den Ring, der auf dem Kissen lag. Jeder von ihnen, jeder der ersten Aufgestiegenen, hatte so einen Ring. Bryn Marr, der Schmied von Westfallen, hatte sie hergestellt. Damals waren sie zu groß gewesen, und er hatte nicht lange genug gelebt, um zu sehen, wie die jugendlichen Aufgestiegenen heranwuchsen, bis sie die Ringe tragen konnten. Sie besaß ihren noch, und sie war sicher, dass auch Ossie und Ardu ihre Ringe gut verwahrt hatten.
    Sie öffnete die Faust und betrachtete das schön gravierte Symbol des Aufstiegs rings um einen einzigen Buchstaben. Auch Gorian hatte seinen Ring behalten. Sie setzte sich aufs Bett und ließ die Tränen strömen, wie sie wollten. Jetzt standen alle in der Tür. »Er hat ihn mitgenommen. Gorian hat meinen Sohn verschleppt.«
     
    Mirron saß auf Kessians Bett, wiegte sein Segelboot in den Armen und nahm den Geruch seines Zimmers in sich auf. Erinnerungen an schönere Zeiten, die rasch verflogen, flüchtige Reste seiner Energie. Viel zu früh aus ihrem Leben gerissen, genau wie der alte Kessian.
    Es war unwirklich. Die Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und der ganze Palast war in Aufruhr. Man hatte drei vor der Zeit gealterte Leichen gefunden. Einst junge Palastwächter, die das Pech gehabt hatten, in der letzten Nacht Gorian zu begegnen.
    Die Untersuchung hatte bereits begonnen. Die Advokatin wollte Antworten hören, die Akademie war in Angst und Schrecken versetzt, und die Botschaften nach Westfallen, dass man auch dort aufpassen solle, waren bereits unterwegs. Harban hatte sein Mitgefühl ausgedrückt, hatte aber offensichtlich nichts mit der Entführung zu tun. Er hatte sich schon auf den Rückweg nach Kark gemacht, weil er fürchtete, bald würden Konflikte ausbrechen.
    Mirron war inzwischen wieder etwas ruhiger und hatte das eigenartige Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Sie dachte, sie müsste mehr Verzweiflung empfinden und voller Panik sein, aber nach den ersten schrecklichen Augenblicken, als Hesther Naravny sie in die Arme genommen hatte, war sie wieder halbwegs zu sich gekommen. Sie wusste, dass es ein vorübergehender Zustand war. Wie die Ruhe im Auge des Zyklons.
    »Wenigstens wissen wir, dass er dem Jungen nichts tun wird«, sagte Jhered.
    »Das ist kein Trost«, widersprach Mirron.
    »Dennoch müssen wir dies berücksichtigen«, beharrte Jhered. »Auch wenn es dir erst einmal nur hilft, bei Verstand zu bleiben, und dich nicht tröstet. Es ist keine Entführung wegen Lösegeld, es geht nicht darum, aus Zorn oder Rachsucht einer liebenden Mutter das Kind zu entreißen. Er braucht Kessian, und Kessian macht ihn langsamer.«
    »Aber wir wissen überhaupt nichts. Niemand, der ihn

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