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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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niemand wird deinen Sohn töten. Er ist am sichersten Ort in der ganzen Konkordanz. Er ist unberührbar. Harban, ich bin sprachlos. Was sollte diese Forderung? Wir wissen, dass du Angst hast, aber so ein Ausbruch ist unverzeihlich.«
    Harban wollte nicht einlenken. Als er aufstand, winkte Jhered zwei Wachen herbei.
    »Bringt ihn in seine Gemächer und achtet darauf, dass er sie ohne euch nicht verlässt.«
    »Ja, mein Herr.«
    »Ich werde ihn nicht töten«, sagte Harban. »Das bleibt euch überlassen. Aber ihr versteht nicht, womit ihr es zu tun habt, und mit jedem Tag, den ihr zögert, wird er stärker. Denkt darüber nach. Wir haben die Prophezeiung seit Jahrhunderten missverstanden. Unsere besten Gelehrten haben immer angenommen, die ›Brut‹ des Aufgestiegenen beziehe sich auf die Toten, die er kontrolliert. Aber die sind nicht gemeint.«

 
7

    859. Zyklus Gottes,
    5. Tag des Genasauf
     
    A m Abend stand Mirron in Kessians Tür. Ihr wunderschöner Sohn schlief friedlich. Sie hatte gleich nach Harban das Kanzleramt verlassen, und jetzt standen Posten vor ihren Gemächern und bewachten unter ihrem Balkon den Garten.
    »Niemand wird dir etwas tun, solange ich lebe«, raunte sie. »Ich werde nie von deiner Seite weichen.«
    Arducius und Ossacer hatten ihr angeboten, über Nacht mit ihr zu wachen, aber sie hatte sich zurückgezogen und war entschlossen, sich der Angst allein zu stellen und ihren Sohn so gut wie möglich abzuschirmen. Ein Glück nur, dass er noch nicht gut genug eingestimmt war, um die wahren Emotionen in ihrer Energiestruktur abzulesen.
    Am Nachmittag hatte er sie jedoch aufmerksam beobachtet und mehr als einmal eine Hand auf ihre Schulter gelegt, um sie zu beruhigen. Er hatte nichts gesagt und keine Fragen gestellt, aber das würde nicht immer so bleiben.
    »Was kann ich dir nur erzählen, wenn ich dir nicht die ganze Wahrheit verraten darf?«
    Mirron ging zu Kessians Fensterläden und überprüfte sie ein letztes Mal. Sie waren kräftig und dick und hielten die Dusaskälte ab, die jedes Jahr kam; und sie bedeckten schöne Buntglasscheiben, die sicherlich ein kleines Vermögen gekostet hatten. Dann beugte sie sich über Kessian und küsste ihn auf die Stirn.
    »Schlaf gut, mein Lieber«, sagte sie.
    Sie verließ sein Zimmer und schloss die Tür. Gegenüber standen die Türen ihres Empfangszimmers und Schlafzimmers offen. Dorthin ging sie jedoch nicht. Im Flur, gegenüber von Kessians Tür, gab es eine mit Kissen und Decken ausgestattete Liege. Weiter wollte sie in dieser Nacht nicht von ihm entfernt sein. Die Liege sah bequem aus, aber das spielte wohl keine Rolle. Mirron konnte sich nicht vorstellen, überhaupt Schlaf zu finden.
    So setzte sie sich hin und nahm einige Papiere in die Hand, an denen sie gearbeitet hatte. Wenigstens würde sie in dieser Nacht nicht über der ermüdenden Aufgabe einschlafen.
    Als sie eine Weile danach erwachte, brannten die Lampen noch. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, fühlte sich aber ruhiger und ein wenig ausgeruht. Die Papiere waren auf dem weißen Marmorboden verstreut, eines oder zwei waren auf der glatten Fläche fast bis zu Kessians Tür gerutscht. Aus ihrem Schlafzimmer wehte ein Luftzug herüber. Sie schüttelte den Kopf.
    »So etwas Dummes«, sagte sie.
    Dann richtete sie sich ganz auf und massierte sich den Nacken: Offenbar hatte sie eine Weile mit verdrehtem Kopf geschlafen. Es war still im Palast. Barfuss tappte Mirron auf dem kalten Marmor zu Kessians Tür, öffnete sie einen Spalt weit und spähte hinein. Das schwache Licht vom Flur erfasste seinen Oberkörper. Er lag in tiefem Schlaf mit ausgebreiteten Armen und zur Seite gedrehtem Kopf.
    Lächelnd schloss sie die Tür wieder und dachte, sie sollte sich wohl doch in ihr eigenes Bett legen. Vor den Türen und im Garten standen Wächter, die Läden waren verriegelt. Der Allmächtige schützte sie, sogar die Ocenii würden Schwierigkeiten haben, hier einzudringen, von einem verängstigten Mann aus Kark ganz zu schweigen.
    »Genau.«
    So ging Mirron in ihr eigenes Schlafzimmer. Die Kälte drang durch ihre Stola. Sie schloss das Fenster und verriegelte die Läden. Das Bett sah sehr einladend aus. Säckchen mit Lavendel dufteten im Kissen, und die Bettlaken waren frisch und sauber. Andererseits hatte sie hier wieder das Gefühl, zu weit von ihrem Kind entfernt zu sein.
    Die Tür ihres Schlafzimmers fiel zu, und aus der dunklen Ecke tauchte eine Gestalt auf. Mirrons Herz verkrampfte sich, sie

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