Die dunkle Armee
dass er noch steht, ihren Glauben sogar noch stärker untergräbt. Ihr habt gehört, was Harban vor seinem Abschied sagte. Sie glauben, der Wille der Gor-Karkulas halte die Wurzeln des Bergs so stark, wie sie sind. Selbst er fürchtet noch, dieser Berg werde zu Staub zerfallen, und dabei ist er der Aufgeklärteste unter den Karku. Keiner versteht, dass die Worte nur sinnbildlich gemeint sind. Harban versucht, seine Leute beisammenzuhalten und erzählt etwas über die Kraft, mit der die Wurzeln ausgestattet wurden, aber lange wird das nicht gut gehen.«
»Nicht zuletzt, weil er selbst nicht davon überzeugt ist.«
»Genau.«
Harkov rieb sich übers Gesicht. Er war erschöpft und wirkte ausgezehrt. Er musste dringend wieder ans Sonnenlicht.
»Wie viele haben wir verloren?«, fragte Jhered.
»Nicht einen Mann«, erwiderte Harkov. »Das ist das einzig Tröstliche an diesem Tag. Einige haben sich verletzt, aber keiner von ihnen schwer. Allerdings mache ich mir viel größere Sorgen wegen der Moral. Sie werden sicher Albträume bekommen, und sie werden sich vor der nächsten Begegnung mit den Toten fürchten.«
Mirron hatte sich ein wenig entspannt, das Zittern ließ nach. Einer von Harkovs Soldaten brachte Becher mit Brühe. Sie war dünn, schmeckte aber wie ein Festmahl, das der Advokatin würdig gewesen wäre.
»Wir müssen mit ihnen arbeiten, genau wie wir mit jedem Legionär der Konkordanz arbeiten würden. Wir brauchen eine Taktik und die richtigen Waffen gegen diesen Feind.« Jhered sprach nicht aus, was beide dachten. Die wirkungsvollste Waffe stellte ein Verbrechen dar.
Harkov blies die Wangen auf. »Gibt es Spielraum für Debatten mit dem Orden?«
»Ihr macht wohl Witze«, erwiderte Jhered. »Ich kann mir nicht einmal in meinen dunkelsten Träumen vorstellen, welches Kapital Felice Koroyan hieraus schlagen wird. Gorian hat dafür gesorgt, dass der Aufstieg ernsthaft bedroht ist.«
Mirron regte sich in Jhereds Armen und setzte sich etwas bequemer.
»Alles in Ordnung?« Er spähte in die Falten ihres Mantels, hinter denen ihr Gesicht gerade eben zu erkennen war.
»Ich will hier raus«, sagte sie.
»Dem kann ich nicht widersprechen«, erwiderte er. »Setz dich auf und trinke deine Brühe, und dann können wir gehen. Sind Eure Leute bereit, General?«
Harkov lächelte. »Mehr oder weniger.«
Mirron rückte näher ans warme Feuer heran, hob ihren Becher und nippte vorsichtig.
»Die Frage ist nur, wohin wir gehen«, überlegte Harkov.
»Das ist eine gute Frage«, stimmte Jhered zu. »Kannst du jetzt einige Fragen beantworten, Mirron?«
Sie nickte. »Ich weiß, wie er es tut, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie ich es nachahmen könnte. Das ist wohl der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Für Aufgestiegene liegt beides oft meilenweit auseinander.«
»Wer hat das gesagt? Nein, lass mich raten -Vater Kessian.«
Mirron lächelte. »Dieses Mal nicht. Es war eine andere Lehrerin. Hesther. Sie macht jeden neu erwachten Schüler darauf aufmerksam. Natürlich ändert das nichts. Alle sind schrecklich ungeduldig und enttäuscht.«
»Dann beschreibe deine Theorie doch etwas näher.«
»Gorian kann seine Werke woanders deponieren, wenn sie vollendet sind. Er kann sie im Bewusstsein eines latenten oder besser noch eines erwachten Aufgestiegenen verankern, wo sie dann unabhängig von ihm ablaufen. Damit ist er selbst frei und kann andere Werke verrichten. Kessian, mein kleiner Kessian, hat die Toten wandeln lassen.«
Mirron schluckte und war offenbar kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen.
»Schon gut, Mirron. Er ist ein Opfer und weiß nicht einmal, was er tut.«
»Es wird auch ihm selbst schaden. Wir müssen ihn retten.«
»Das werden wir tun«, versprach Jhered. »Aber ich habe noch nicht ganz begriffen, was Gorian anstellt. Du sagst, Kessian habe die Toten gesteuert?«
»Nein«, erklärte Mirron. »Gorian hat Kessians Energie benutzt, um sie in Bewegung zu halten und tun zu lassen, was er wollte, während er mich angegriffen und den See vereist hat. Hätte er ihre Aufgabe verändern wollen, dann hätte er die Energiebahnen wieder selbst steuern müssen. Ich weiß nicht, wie er das schafft. Es ist wie bei diesen Taschenspielern, die mit leichten Tüchern arbeiten. Sie können mehrere zugleich in der Luft halten, indem sie schnell zwischen ihnen wechseln, bevor sie den Boden berühren. Er hat es geschafft, Kessians Energien zu missbrauchen, damit sie das Werk, das die Toten antreibt, speisen
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