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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Geschichte. Wir haben sie seit etwa drei Jahren hier. Ihr Onkel hat sie einliefern lassen, weil sie seinen Sohn fast tot gebissen und ein Hausmädchen so brutal angefallen hat, dass es beinahe an seinen Verletzungen verblutet wäre. Hätten wir sie nicht aufgenommen, wäre sie in Moabit gelandet. So konnte die Familie das Opfer mit einer ansehnlichen Entschädigung von einer Anzeige abhalten.«
    »War es Notwehr oder hält sie sich für ein Tier, ein Raubtier vielleicht?«, fragte Lenz.
    »Sie denken an Trautheim?«, sagte Müller-Wagner auch sogleich. »An den Fall des Wolfsmenschen, der menschliche Gesellschaft nicht ertrug und zurückgezogen in einer Höhle im Wald lebte, bis ihn dort neugierige Kinder aufscheuchten und verhöhnten. Die Kinder dort hatten nicht so viel Glück wie ihre Opfer. Sie wurden schrecklich zugerichtet, bei lebendigem Leib förmlich zerrissen … Ich sageIhnen, bei einem solchen Wahn hilft keine der neuen psychoanalytischen Methoden. Mit einem Monster können Sie keine Gespräche führen. Triebstrukturen, Unterbewusstsein … papperlapapp! Nur mit der Elektroschockmethode lassen sich die unheilvollen Fehlschaltungen im Gehirn blockieren und das Monster lahmlegen.«
    Lenz schaute mich an, und obwohl ich scheinbar völlig teilnahmslos und spastisch verrenkt in meinem Rollstuhl hockte, nahm ich alles auf, was um mich herum geschah.
     
    Es war, als schaute ich auf die geisterhaften Phantasmagorien einer Laterna magica, die sich als flüchtige Projektionen des wirklichen Lebens entfalteten. Großvater Vanderborg hatte mir damit einmal einen gehörigen Schrecken eingejagt, indem er ein Bild meiner Mutter auf eine Rauchwolke mitten im Raum projiziert hatte, sodass man annehmen konnte, sie sei ein Geist.
    »Darum nennt man die Laterna magica auch Schreckenslaterne«, hatte er lachend gemeint und mich auf seinen Schoß genommen und so lange gestreichelt, bis das unwillkürliche Zittern, das meinen ganzen Körper befallen hatte, endlich nachließ.
    »Du, Seelchen«, sagte er. »Als Enkelin eines Erfinders solltest du dir ein dickeres Fell zulegen. Nimm dir ein Beispiel an deiner Mutter, sie hat mich in die Karpaten begleitet und selbst den Hebel an einer elektrischen Maschine umgelegt, mit der wir Vampire fangen wollten.«
    »Habt ihr welche gefangen?«, hatte ich neugierig gefragt. Lachend hatte er den Kopf geschüttelt.
    »Nein, Gott sei Dank nicht!«
    Da war ich aber froh, denn Wilhelm hatte ein Buch, in dem waren Fabelwesen abgebildet und Vampire wirkten nicht gerade freundlich!
     
    »Ich nehme an, mit ihrem Monster haben Sie das Gespräch gar nicht erst gesucht, Herr Professor, sondern sofort die Elektroschocks angewandt? Die Auswirkungen sind unübersehbar.«
    Müller-Wagner schaute Conrad Lenz unwillig an, und man konnte sich vorstellen, was er dachte. Nämlich vermutlich, dass ihm so ein junger Schnösel, der nur Unruhe in die Klinik brachte, gerade noch gefehlt hatte.
    »Ich habe mir große Verdienste um diese Einrichtung erworben«, sagte er vergrätzt. »Wenn das Kuratorium mich ließe, wie ich wollte, und nicht hinter meinem Rücken eigenmächtig Personal einstellen würde, nichts gegen Sie, Herr Kollege, dann hätten wir auch ähnliche Therapieerfolge, wie sie andere private Nervenheilanstalten vorweisen.«
    »Mir wurde gesagt, die Geldgeber bezweifeln, dass die Arbeit an dieser Klinik auf dem neuesten Stand ist …«
    Müller-Wagner fiel Lenz ins Wort. »Noch moderner als wir kann niemand sein, wir erproben …« Er brach mitten im Satz ab, aber Lenz vollendete ihn. »… Sie erproben als einzige deutsche Klinik bereits die Elektroschockmethode am Menschen?! Hatten Sie das sagen wollen? Lassen Sie mich raten, warum Sie Ihren Satz nicht beendet haben. Weil alles, was Sie in dieser Hinsicht tun, illegal ist und auch bisher vermutlich nur am Kuratorium vorbei praktiziert werden konnte?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    »Doch, wenn Sie Patienten damit behandeln, bei deren Leiden dies möglicherweise kontraindiziert ist.«
    »Sie meinen hinsichtlich der Wirksamkeit?«
    »Ja, ich frage mich, wie eine Methode, die ausschließlich auf organische Beeinflussung setzt, bei einem Phänomenwie der Neurose wirken soll? Formen der Angstabwehr und der Verdrängung sind keine Krankheiten der Organe, sondern ausschließlich der Psyche. Sie sind zudem in der Regel durch das soziale Umfeld des Patienten hervorgerufen. Sie können in solchen Fällen mit manipulativen, nur auf den Organismus zielenden

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