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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Techniken wie Elektroschocks keinen Erfolg haben. Diese Fälle sind darum das genuine Aufgabengebiet der Psychoanalyse.«
    »Denken Sie, was Sie wollen, junger Mann«, schnappte der Professor unwillig und zwirbelte nervös seinen Schnurrbart. »Ich werde alsbald mit dem Bericht über meine Arbeit an die Öffentlichkeit gehen und als Pionier der Methode zu wissenschaftlichem Ruhm kommen.« Er räusperte sich und nahm eine Prise Schnupftabak zu sich, schnäuzte sich lautstark und meinte dann abschließend:
    »Noch aber ist die Zeit nicht reif, und wenn Sie nun schon einmal da sind, so gestatte ich Ihnen, Ihren psychoanalytischen Schnickschnack an dieser Patientin auszuprobieren. Ich hoffe nicht, dass Ihnen dabei Ihre Illusionen über Sigmund Freuds Praxistauglichkeit verloren gehen.«
    Er lachte bellend und schlug Lenz jovial auf die Schulter.
    »Nur zu, nur zu, ich fördere den wissenschaftlichen Nachwuchs, wo ich nur kann.«
    Lenz schaute reichlich verunsichert, und es war nicht nur ihm klar, dass der Professor sich nichts mehr wünschte, als dass er sich an meinem Fall die Zähne ausbeißen würde und scheiterte.
    »Ist sie für Ihre Versuche nicht mehr brauchbar? Wenn das die Verfassung ist, in der die Elektroschockmethode die Patienten zurücklässt, sollte man sie sofort verbieten.«
    Müller-Wagner zuckte die Achseln und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl.
    »Mein lieber junger Freund, Sie sind sehr forsch in Ihrem Urteil, ich halte es Ihrer Jugend zugute «, sagte er mit der arroganten Freundlichkeit des Erfolgsgewohnten. »Wir haben bei zahlreichen Patienten beste Erfolge erzielt, was den Einsatz am Menschen vollkommen legitimiert. Mögen die Italiener weiterhin an Hunden und Affen ihre Versuche machen, ich werde wie gesagt schon bald mit eindrücklichen Befunden zur Anwendung am Menschen an die wissenschaftliche Öffentlichkeit treten.« Und etwas schärfer im Ton fügte er hinzu: »Daran hindern mich auch ignorante Freudianer nicht.«
    Er nahm sein Monokel vom Auge und rieb es mit einem feinen Tüchlein sauber, bevor er es wieder einsetzte, zwirbelte noch einmal seinen Schnurrbart und sagte nun wirklich abschließend:
    »Was allerdings diese Patientin betrifft, so spricht sie in der Tat nicht in gleicher Weise auf die Behandlung an, obwohl wir mit ihr ebenso verfahren wie mit anderen Patienten.«
    Er räusperte sich und meinte nun wieder verbindlicher: »So wie ich Sie verstanden habe, wäre sie darum vielleicht eher ein Fall für die Methoden des Herrn Freud. Sie würden mir wirklich eine Freude machen, wenn Sie das Mädchen übernähmen.«
    Er wandte sich mir zu.
    »Hörst du mich, mein Kind? Dr. Lenz wird sich deiner annehmen. Er glaubt tatsächlich, im Besitz des Steins der Weisen zu sein und dich heilen zu können.«
    Er sah mir tief in meine starren Augen und tätschelte mit einer aufmunternden Geste meine versteifte Wange.
    »Wann hatte sie ihre letzte Schockbehandlung?«
    Müller-Wagner überhörte die Frage, ging aber zu seinem Schreibtisch zurück und reichte Conrad Lenz eine dünne Mappe herüber.
    »Das ist ihre Patientenakte. Darin ist alles verzeichnet. Sie dürfen sie gerne einsehen.«
    Lenz nahm sie aus der Hand des Professors entgegen, warf einen Blick auf das Deckblatt und las laut den darauf mit flüchtiger Hand notierten Namen seiner Patientin.
    »Amanda.«
    Als er meinen Rollstuhl längst aus dem Sprechzimmer des Professors zurück in meine Zelle geschoben hatte, klang mir seine leicht österreichisch eingefärbte Aussprache meines Namens noch immer warm in den Ohren.
     
    Am nächsten Tag kam Lenz mit einer Pflegerin zu mir.
    »Amanda«, sagte er eindringlich, »hören Sie mich?«
    Ich hörte ihn, aber ich fand keinen Weg, es ihm zu bestätigen.
    »Könnten wir sie hinausfahren, in den Garten, damit sie Licht und Luft bekommt?«
    Entsetzen erfasste mich, und es war seit einer Ewigkeit die erste emotionale Regung, die ich in mir fühlte. Mein Herz tat angesichts dieser existenziellen Bedrohung ein paar stolpernde Schläge, doch neben der Angst vor dem Licht spürte ich noch etwas anderes in mir, ein instinktives, triebhaftes Verlangen. Professor Müller-Wagner hatte von einem Monster gesprochen, das er mir mit seinen Elektroschocks austreiben wollte. Seine Methode hatte jämmerlich versagt, denn es meldete sich in eben diesem Moment mächtig und fordernd zurück. Mich befiel eine plötzliche unersättliche Gier nach … Blut!
    Und das stand in Gestalt von Lenz und der Pflegerin

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